Hautabschürfler

christian häusle


“Ah, ein Wirbelsäulenspezialist fährt auch mit! Den kenn' ich, das ist gut”, sagt Christian Häusle und grinst. Mit 13 fuhr ein Lastwagen über sein Bein, der Unterschenkel musste knapp unter dem Knie amputiert werden. “Hautabschürfler“ haben sie mich genannt, die ganzen Schwerversehrten in den zwei Jahren Reha nach meinem Unfall”, erinnert sich der 53-jährige:

“Klar, für einen, der im Rollstuhl sitzt, hatte ich ja nur einen Kratzer abbekommen.” Ein Kratzer, der für den Jugendlichen schwer zu verarbeiten war. Der Sport habe ihm dabei geholfen, so Häusle, vor allem psychologisch. Als langjähriger Präsident des Vorarlberger Versehrtensportverbandes versuchte Häusle, seine Energie auch auf andere positiv einwirken zu lassen.

Treppauf mit der Enduro?

Und zum 40sten Jubiläum seines Unfalls will es der Dornbirner Unternehmer nun noch einmal ganz genau wissen. Seit einem halben Jahr trainiert er verbissen Kraft und Ausdauer und hat seine Ernährung umgestellt.

“Ich war zu schwer und zu träge, weil das, was da auf mich zukommt, ist schon recht anspruchsvoll”, sagt Christian Häusle und starrt auf die Website redbullromaniacs.com. Dort sind Videos vom vergangenen Jahr zu sehen, in denen die Fahrer richtig zur Sache gehen – sogar in einem alten Fabriksgebäude.

“Bin gespannt, ob sie uns auch die Treppe rauf hetzen”, grinst Häusle. Er fährt in der “Iron” Klasse – 5 Tage Rennen, 20 Stunden auf dem Motorrad, 500 Kilometer im Gelände. Es gibt auch noch “Bronze” und “Silver”. In der “Gold” Klasse treffen die weltbesten Enduro-Fahrer aufeinander, die müssen noch weitere Strecken bewältigen und auch schon mal senkrecht über Felsbrocken hinauf fahren.

“Das ist in meiner Klasse nicht so, aber Steigungen gibt es schon, die du zu Fuß nicht mehr 'raufkommst”, sagt Christian Häusle.
 


Fahrtechnik statt Hax'n

Apropos “zu Fuߔ: Beim Enduro-Fahren muss man sich doch mit den Beinen auf dem Boden abstützen, und: Schaltet und bremst man am Motorrad nicht auch mit den Füssen? “Ich hab' die Hinterrad-Bremse an der linken Hand, wie bei einem Fahrrad”, erklärt Häusle, “und eine Fliehkraft-Kupplung lässt mich mit gezieltem Gasgeben schalten.” Eine Hightech-Composit-Prothese ersetzt ihm den fehlenden Unterschenkel. Und Rennerfahrung hat er, dieser Christian Häusle. “House on fire” rief der britische Reporter, als Häusles Motorrad bei der Superbike-WM 1997 am A1-Ring in Flammen aufging (siehe http://www.youtube.com/watch?v=UgdpfEa4PRA).

Der 2-fache Versehrten Schi-Weltmeister und Paralympics-Zweiter in der Abfahrt hat trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb - Riesen-Respekt vor dem “Romaniacs”-Rennen. Er weiß genau, dass ihn diese 5 Tage in Rumänien bis zum Letzten fordern werden, und er wird sich seine Kräfte entsprechend einteilen und auch Rückschläge einstecken müssen. Auch darin hat er Erfahrung.
 
Effizienz ist sein Motto

Seit den 80er Jahren beschäftigt sich Christian Häusle mit der Nutzung von Abfall, er übernahm die Firma vom Vater, musste zusehen, wie sein Lebenswerk ein Raub der Flammen wurde. Doch entmutigen liess sich der “Hautabschürfler” nie. Ganz im Gegenteil. Aufstehen, Staub abwischen, weitermachen – Effizienz ist Häusles Lebensmotto. “Wirkungsgrad Energiecontracting” heißt die Firma von Christian Häusle, und sie beschäftigt sich mit der Effizienzsteigerung von Unternehmen sowie Heizanlagen in grösseren Gebäuden. “Auch beim Enduro-Fahren geht es darum, die Energie richtig einzusetzen.

Einfach Gas aufdrehen geht nicht, da kommt man nie über und durch die Hindernisse”, sagt der Vater von drei Söhnen. Die finden den Vater “zwischen durchgeknallt und cool”, lacht Häusle. Und seine Frau? “Sie unterstützt mich bei allem, was mich glücklich macht.” Und plötzlich hat der “harte Hund” ein ganz weiches Lächeln im Gesicht.