Die graue Eminenz hinter dem Erzbergrodeo ist Mark Schilling. Er sorgt dafür die Veranstaltung finanziell zu sichern. Wir sprachen mit ihm über die Kosten, schöne Momente und Europa.
Interview, Wien, November 2018
Motorradreporter:
Was bedeutet das Erzbergrodeo für dich?
Mark Schilling:
Das Erzbergrodeo ist eine Wahnsinns- und riesen Veranstaltung, die immer grösser wird und eventtechnisch ihresgleichen sucht.
Motorradreporter:
Was genau machst du beim Erzbergrodeo?
Mark Schilling:
Ich bin für den kaufmännischen und organisatorischen Teil des Events verantwortlich, während Karl Katoch (Anm. Mastermind Erzbergrodeo) sich um die Vernetzung, Presse und den sportlichen Teil des Erzbergrodeo kümmert. Die Gesamtkoordination obliegt dann uns beiden.
Motorradreporter:
Bei deinem Einstieg ins Erzbergrodeo hast du einen harten kaufmännischen Schnitt gemacht. Das ist damals vielen dazugehörigen Leuten aufgefallen und die haben sich gefragt: "Wer ist dieser Mark Schilling, was macht der hier?". Wie war aus deiner Sicht damals deine Vorgehensweise, wie bist du das Erzbergrodeo angegangen?
Mark Schilling:
Nun, mit dem Nachnamen "Schilling" liegt's schon in der Natur der Sache, dass ich mich um die finanzielle Seite kümmere. Ich habe einen kaufmännischen Background und mir ist damals sofort aufgefallen, dass der kaufmännische Bereich der Veranstaltung eher "chaotisch" aufgebaut war und z.B. Sponsoren und Aussteller erst nach der Veranstaltung abgerechnet wurden. Ein kaufmännischer Wahnsinn, der für die Veranstaltung extrem riskant sein kann... es gab große finanzielle Unsicherheiten, die bei so einer Größenordnung nicht möglich sein dürfen.
Hinter dem hohen emotionalen Erlebnisfaktor des Erzbergrodeo steht auch eine gewaltige Verantwortung. Da müssen die kaufmännischen Dinge halt besonders geordnet ablaufen, da sonst eine vitale Gefahr für alle Beteiligten besteht.
Motorradreporter:
Was sind für dich die persönliche Herausforderung bei diesem Event, was gilt es zu meistern?
Mark Schilling:
In Wahrheit gibt es zwei ganz große Brocken zu stemmen. Zum einen gilt es, das Event in dieser Größenordnung überhaupt erst einmal zu finanzieren. Der Kostenblock, der hier am Tisch liegt, hat die Millionengrenze bereits bei deutlich überschritten und diese Kosten rasen auch permanent in die Höhe. Die Startgelder der Teilnehmer machen knapp ein Drittel dieser Summe aus, der Rest der Summer wird durch die Sponsoren, Partner und Besucher finanziert.
Eine weitere große Herausforderung sind die notwendigen Voraussetzungen, die genauestens erfüllt werden müssen. Alleine die Sicherheitskosten belaufen sich auf ca. 250.000 Euro. Das sind nur Kosten, die wir für die Sicherheit benötigen wie für Rettungskräfte, Polizei, Feuerwehr und Security.
Motorradreporter:
Und der zweite große Brocken?
Mark Schilling:
Ganz klar das Service für unsere Besucher. Besucher in einem aktiven Bergbaugebiet zu bespaßen ist eine enorme Herausforderung, eine Gratwanderung zwischen maximalem Erlebnisfaktor und höchstmöglicher Sicherheit. 2018 haben wir leider sehr viel Kritik geerntet. Da ist uns das Bus-Unternehmen abgesprungen und wir konnten den Besucher Shuttle-Service am Berg nicht anbieten. Das ist bei den Leuten nicht gut angekommen und ich verstehe das voll. Wir werden diese Situation für 2019 nicht nur ändern, sondern gleich einen Schritt weiter gehen.
Motorradreporter:
Soll heißen, dass es wieder Shuttle-Busse für die Besucher geben wird?
Mark Schilling:
Wir werden 2019 sogar zwei Shuttle-Bus-Routen am Erzbergrodeo etablieren, eine Nordroute und eine Südroute. Die Südroute wird zu den klassischen Highlights wie Start, Wasserleitung und Badewanne führen, die neue Nordroute geht zu den Sektionen Grüne Hölle, Dynamite und Carl´s Diner. Die Besucher können sich aussuchen, welche Action sie sehen wollen... auf jeden Fall werden die Fans hautnahe im Geschehen sein!
Motorradreporter:
Du hast jetzt sehr schön über Zahlen geredet, das war ja bis jetzt immer ein Geheimnis beim Erzbergrodeo…
Mark Schilling:
Naja, das ist immer so ein Thema. So wirklich geheim ist das nicht. Wir sind sicher eine der transparentesten Großveranstaltungen. Wir kommunizieren ja auch viele Zahlen. Wie viele Besucher kommen, wie viele Teilnehmer wir haben, wie viele Sicherheitskräfte vor Ort eingesetzt werden, etc.
Jeder der einen Taschenrechner hat, kann sich das ja ungefähr ausrechnen. Fakt ist, dass die Kosten einfach permanent steigen!
Motorradreporter:
Ein Kritikpunkte zurzeit, vor allem in den sozialen Medien, ist die Preiserhöhung bei den Nenngeldern. Warum ist das so?
Mark Schilling:
Grund dafür ist die Erhöhung der Kosten durch unseren Vermieter. Daher muss ein Teil dieser Mehrkosten auf das Nenngeld entfallen, auch wenn uns das keinen Spaß macht. Wie bereits gesagt, den Rest der Mehrkosten tragen die Partner, Sponsoren und Besucher. Diese Veranstaltung funktioniert nur im Dreiklang Fahrer, Besucher, Sponsoren bzw Partner.
Motorradreporter:
Ist da irgendwo einmal eine Schmerzgrenze erreicht?
Mark Schilling:
Solange das Erzbergrodeo Emotionen, Action und die gewaltige sportliche Herausforderung auf höchstem Niveau bietet und dies auch abgedeckt werden kann, wird es für alle Beteiligten diesen einzigartigen Mehrwert geben. Es gibt viele Motorradsportevents, die ein weit höheres Nenngeld verlangen ohne dabei einen auch nur ähnlichen Mehrwert für die Teilnehmer zu bieten.
Motorradreporter:
Kann es passieren dass es das Erzbergrodeo einmal nicht mehr gibt ?
Mark Schilling:
Ja, das passiert dann, wenn man misswirtschaftet. Es ist eine einfache Rechnung. Wenn ich mehr ausgebe als ich einnehme, dann ist's schnell vorbei. Das geht vielleicht einmal, aber nur dann, wenn man eine Rücklage aufgebaut hat. Meine Aufgabe ist es gut zu wirtschaften und den Überblick über alle Bereiche zu behalten. Man darf nicht vergessen, dass beim Erzbergrodeo über 800 Leute beschäftigt sind. Ein kleiner, aber sehr wichtiger Teil, wie unsere tolle Guide-Truppe, arbeitet dankenswerter Weise aus freien Stücken mit. Es sind aber sehr, sehr viele Profis am Werk und die müssen am Ende des Tages bezahlt werden. Wenn das irgendwann nicht mehr geht, war's das.
Zur Person Mark Schilling:
Motorradreporter:
Du hast dich irgendwann einmal entschlossen, Unternehmer zu werden - was in Österreich ja fast schon verpönt ist. Wie ist es dazu gekommen, was waren die Beweggründe kein Angestellter zu sein ?
Mark Schilling:
Angestellter war ich noch nie. Ich habe schon während meines WU Studiums begonnen, eine eigene IT Firma aufzubauen. Die hat sich gut entwickelt, da war dann gar keine Zeit mehr einen anderen Job anzunehmen. Ich habe dann die Firma 16 Jahre lang in Vollzeit betrieben, wir hatten 45 Mitarbeiter mit 4 Standorten. So gesehen hat sich diese Frage bei mir nicht wirklich gestellt. Ich glaub' es ist einfacher, wenn du dich in jungen Jahren selbstständig machst. Mit 19 oder 20 hat man kaum Verpflichtungen oder große Kosten, das Risiko ist deutlich geringer und du kannst viel ausprobieren. Wie für jeden Unternehmer war das dritte Jahr das Schwierigste. Da kam die große SVA-Keule, die ich aber gut überstanden hab. Seitdem bin ich durchgehend unternehmerisch tätig, ich kenn' das gar nicht anders.
Motorrad-Karriere:
Motorradreporter:
Wir waren früher Mal gemeinsam Trial fahren, da hat man dir gute Noten ausgestellt. Wie ist es seitdem weitergegangen mit deiner Motorrad-Karriere?
Mark Schilling:
Meine Motorrad-Karriere hat eigentlich mit dem Kennenlernen von Karl Katoch begonnen. Ich bin mit dem Karl in Kroatien sehr viel Enduro gefahren, was auf der einen Seite sehr viel Spaß gemacht hat und auf der anderen Seite sehr "spannend" war. Karl hat eine sehr eigenwillige Art dir etwas zu erklären - da findest du dich auch einmal in einer Schlucht wieder, aus der keiner mehr rauskommt. Als die Kinder kamen, wurde es dann aus Zeitgründen eher schwierig mit dem Vielfahren. Ich hab' immer noch meine KTM 950 Super Enduro Erzberg Edition mit der Nummer 42 in der Garage stehen. Von Zeit zu Zeit wird sie auch ausgepackt und ein bisserl bewegt - abmelden kann ich sie nämlich nicht, weil das Kennzeichen angenietet ist.
Motorradreporter:
D.h. hast du den Enduro Bereich sehr gut kennengelernt und das leitet auch zur nächsten Frage über. Das Erzbergrodeo ist eine extreme Veranstaltung. Das heißt auch, es wird in fünf Tagen 100 Stunden gearbeitet, fast ohne Schlaf. Da kommen dann auch immer sehr viele Befindlichkeiten zu Stande. Wie heisst es so schön: "Erst am Limit lernt man die Leute auch wirklich kennen.". Wie gehst du mit den Befindlichkeiten vor Ort um?
Mark Schilling:
Ich bin einer der ersten die vor Ort sind, meistens am Freitag davor und auch einer der letzten der dann wieder dahin ist. Das Erzbergrodeo schafft eine Situation, in der alle unter einem riesigen Druck sind und unter einer riesigen Anspannung stehen. Wie wir so ohne Schlaf durchkommen, das ist schon ein Wahnsinn. Man merkt auch dann, wenn man wieder nach Hause kommt, wie der Druck letztlich nachlässt und man richtig einknickt. In Punkto Führungsstil bin ich der Typ, der eher nicht gleich in den Saft geht.
Motorradreporter:
Kannst du das beeinflussen?
Mark Schilling:
Ja, ich bin von Haus aus eher ein ruhiger Typ und ich schaue mir Dinge in Ruhe an. Meine Toleranzgrenze ist sehr hoch... wenn die allerdings einmal überschritten ist, ist's dann auch vorbei mit der Ruhe. Das hängt dann auch immer von der jeweiligen Situation ab. Ich versuche mir auch immer eine gewisse Klarheit zu verschaffen. Ich hatte in den letzten 10 Jahren Erzbergrodeo erst ein Schreiduell.
Motorradreporter:
Irgendwann ist - wie es der Karl immer formuliert - die "Kugel ist aus dem Lauf". Bis dorthin kann man planen, ab dann ist man Passagier. Trotzdem müssen dann auch immer wieder Entscheidungen getroffen werden, Wie triffst du diese Entscheidungen eher mit dem Bauchgefühl, oder versuchst du doch noch kognitiv zu agieren. Wie ist die Grundlage deiner Entscheidungen?
Mark Schilling:
Da wir die Bereiche klar und gut aufgeteilt haben können wir sehr autark entscheiden, jeder in seinem Bereich. Wenn es schwerwiegende Dinge betrifft, haben wir einen schnellen und sehr guten Modus zusammenzukommen und zu entscheiden. Ich bin jemand der sehr ungerne aus der Hüfte schießt. Ich mag schon über Dinge nachdenken und kurz Zeit zu haben, zu reflektieren und nicht sofort abzudrücken.
Ich bin ein Fan davon die Konsequenzen einer Entscheidung zu bedenken. Aber es ist schon richtig, irgendwann ist die Kugel aus dem Lauf und dann kannst du nur noch reagieren und versuchen, in die richtige Richtung zu lenken. Ich versuche zumindest eine kognitive Entscheidung zu treffen, sofern dies möglich ist. Aber manchmal muss man auch aus dem Bauch entscheiden. Da gibt's kein Rezept.
Was ich unbedingt erwähnen will, ist das sensationelle Zusammenspiel unserer Crew vor Ort. Wir haben da ein richtig starkes Team, das perfekt aufeinander abgestimmt ist. Es ist eine richtig große Freude mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten.
Motorradreporter:
Was ist für dich persönlich der schönste Moment am Erzbergrodeo?
Mark Schilling:
Der schönste Moment kommt für mich, wenn alles wieder abgebaut ist und die Müllentsorgung komplett erledigt ist. Wenn das Abnahmeschreiben der VA Erzberg einlangt und wir damit das Erzbergrodeo offiziell abschließen können. Dann gibt’s keine Überraschungen mehr und ich kann wieder gut schlafen.
Motorradreporter:
Wie darf man das mit der Müllentsorgung verstehen?
Mark Schilling:
Das ist zwar kein sonderlich spannendes, dafür aber ein extrem entscheidendes Thema. Wir haben sehr hohe Anforderungen betreffend der Müllentsorgung, da der Erzberg ja auch ein sehr starkes Tourismusgebiet ist. Die Müllentsorgung und -trennung kostet alleine 50.000 Euro, und ist mit hohen Pönalen verbunden, wenn wir es nicht schaffen, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes den Müll zu entsorgen.
Motorradreporter:
Das Erzbergrodeo profitiert ja sehr schön vom EWR Raum, der EU und der Währungsunion. Was passiert deiner Meinung nach wenn es einen Rückfall in die Nationalstaaten gibt. Kann das Event dann weitergeführt werden?
Mark Schilling:
Ja, es kann natürlich stattfinden. Es kommen ja auch sehr viele Leute aus dem nicht EU - Raum. Aber ich hielte es trotzdem für extrem schlecht. Ich bin ein großer Europa Fan, ein großer Währungsunion Fan. Ich liebe es Ausweislos reisen zu können, überall mit der gleichen Währung zahlen zu können und ich hoffe, dass die, die dafür bezahlt werden es wieder in den Griff bekommen. Das ist ihr Job.
Motorradreporter:
Was war das letzte Buch was du gelesen hast?
Mark Schilling:
Eine kurze Geschichte der Zeit von Stephen Hawking.
Motorradreporter:
Hast du eine Lebensphilosophie, die dich im Leben weitergebracht hat?
Mark Schilling:
Wenn du alles im Griff hast, bist du nicht schnell genug.
Motorradreporter:
Danke.
(MR/LMF)