Tiroler Motorradfahrverbot geht in die nächste Runde
- Keine Wochenendstreckensperrungen
- Keine Streckenausweitungen
- Verordnungsstart 15.4.2021
Die Vorgeschichte: Im Jahr 2020 beschloss die Tiroler Landesregierung – Landeshauptmannstellvertreterin Mag. Ingrid Felipe – zum Schutz der Anrainer von fünf betroffenen Straßenzügen (siehe Grafik) ein Fahrverbot für Motorräder, die im Zulassungsschein mehr als 95 dB Standgeräusch (Nahfeldpegel) eingetragen haben. Diese Verordnung war vom 10. Juni bis zum 31. Oktober in Kraft.
Trotz massiver Bemühungen der Arge 2Rad – des Dachverbandes der österreichischen Zweiradimporteure und Zweiradindustrie – und anderer Organisationen hat sich die Tiroler Landesregierung nicht umstimmen lassen und ist in dieser per se schwierigen Saison, die für das Land sowohl wirtschaftlich als auch imagemäßig mehr als eine Herausforderung war und noch immer ist, diesen Weg gegangen.
Zur Erinnerung: Nagfeldpegeleinträge zu kontrollieren und diese nicht zu messen, steht in keiner Relation zur realen Lärmemission. Legale Motorräder werden dadurch NICHT von illegalen Fahrzeugen unterschieden. Es folgte also eine Pauschalierung und sämtliche korrekt homologisierten Fahrzeuge, die einen Nachfeldpegel von mehr als 95 dB im Zulassungsschein aufwiesen, wurden von diesen definierten Strecken verbannt. Gerichte beschäftigen sich mit dieser Causa. Eine Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes ist noch ausständig.
Heute fand die Präsentation der Evaluierung der ersten Saison der 95dB Verordnung in Innsbruck statt. Grundlage der Evaluierung ist die Befragung eines Samples von 250 Personen (die Grundgesamtheit der direkt Betroffenen wurde mit 10.000 Anrainern definiert), die direkt betroffen sind. Die Befragung wurde im November 2020 telefonisch durchgeführt.
Kernaussagen der Evaluierung sind, dass die Anzahl der Motorräder im Außerfern um rund 36% rückläufig war, dadurch eine Lärmpegelreduktion von 2 dB erzielt wurde und eine deutliche Mehrheit der Befragten dem Fahrverbot sehr positiv gegenübersteht. Der Anteil an stark von Motorradlärm Belästigten ist mit 29 % weiterhin hoch – hat sich jedoch im Vergleich zu den Befragungen von 2019 mehr als halbiert. Die stärkste Reduktion war am Hahntennjoch zu beobachten. Der Motorradverkehr hat sich dort 2020 halbiert. 46% der Befragten räumen jedoch ein, dass es dadurch auch Einbußen im Tourismus gab. Eine Fokusgruppe, erstellt von der Tiroler Landesregierung (WK, AK u.a.), die die wirtschaftlichen Auswirkungen analysiert hat, konnte diese Befürchtungen nicht bestätigen.
Herbert Gassner, Geschäftsführer der Moho – Motorradhotels Österreichs, betont, dass die Saison 2020 aufgrund der besonderen Covid-Situation absolut keine realistischen Rückschlüsse zulässt, das heißt der „Erfolg“ 2020 auf verzerrten und unüblichen Marktvoraussetzungen beruht. „Sehr viele Motorradurlauber, die ansonsten attraktivere Ziele weiter im Süden - Italien, Slowenien, Südfrankreich - anvisieren, sind 2020 aufgrund diverser Reisebeschränkungen bzw. auch aufgrund falscher Annahmen nach Österreich ausgewichen. So waren z.B. die Betten in Südtirol - mit Ausnahme der italienischen Ferienzeit - vielfach leer. Es waren kaum ausländische Motorradfahrer anzutreffen. Urlauber, die regulär Fernziele besucht bzw. Flugreisen absolviert hätten, mussten sich auf Nahziele beschränken. Davon hat nicht nur Tirol, sondern gesamt Österreich massiv profitiert. Aus diesem Grund hat sich vorübergehend auch in den ausgesprochenen Motorradhotels die Nachfrage von alternativen Zielgruppen erhöht. Das kann nur als Einmaleffekt betrachtet werden,“ so Gassner. Damit verbunden war 2020 ein auch sehr hoher Anteil an Inlandsurlaubern zu verzeichnen.
Sowohl die Pandemie als auch die Verordnung per se werden von den Studienautoren Dr. Christoph Lechner und Dr. David Schnaiter als Hauptursachen identifiziert. Eine genaue Zuordnung ist nicht möglich.
Die Evaluierung ist unter www.tirol.gv.at einsehbar. Für detaillierte Informationen kontaktieren Sie Herrn Clemens Rosner, clemens.rosner@tirol.gv.at
Die Landesregierung wird diese Verordnung also auch in der Saison 2021 wieder umsetzten, ohne Ausweitung der Straßenzüge jedoch bereits am 15.4.2021 beginnend. Das Ende bleibt mit dem 31.10.2021.
„Die Ergebnisse dieser Evaluierung waren zu erwarten und überraschen mich nicht,“ so Karin Munk, Generalsekretärin der Arge 2Rad. „In Tirol kommen die Motorradtouristen zu rund 70% aus Deutschland. Viele Gruppen haben zum Leidwesen der ansässigen Gewerbetreibenden – z.T. auch aus Coronagründen - storniert, sind also, obwohl vielleicht nur 1 Motorrad über 95dB hatte, gar nicht gekommen,“ so Munk weiter. Dass die verringerte Frequenz natürlich auch zu einer Reduktion der Lärmemissionen führt, liegt auf der Hand, hat aber nichts mit dem eingetragenen Nahfeldpegel per se zu tun. Nach EU Richtlinien legale Motorräder werden bestraft, illegale, getunte Motorräder werden belohnt. Und diese sind es, die das subjektive Lärmempfinden definieren.“
Das Ziel der Arge 2Rad wird es weiterhin sein, allen legalen Motorrädern den Zugang zu allen Straßenzügen zu ermöglichen, den ansässigen Gewerbetreibenden eine sichere Zukunft zu gewährleisten, unter Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Anrainer. Dafür bedarf es einer Bewußtseinsbildung einzelner Motorradfahrer und der massiven Kontrolle des Verbotes von illegalen Anbauten durch die Exekutive. Diese Grundlagen für eine nachhaltige Verringerung der Anrainerbelastung werden von der Arge 2Rad und Partnern durch Kampagnen und durch die enge Zusammenarbeit mit dem Innenministerium gewährleistet. (Arge2Rad)