BMW R 1300 GS – die Luxusklasse

Diesmal war der Testtermin seitens BMW-Motorrad Österreich auch perfekt zeitlich geplant. Ich gab die F900 GS (Testbericht) ab und übernahm direkt die R1300 GS. Dadurch kann ich auch unmittelbar einen Vergleich anstellen und dieser war für mich doch überraschend.

Ich bin jetzt schon viele Ausprägungen des Boxermotors von BMW gefahren, aber der neue Boxermotor ist schon, im Vergleich, eine eigene Klasse. Noch nie war ein Boxermotor so laufruhig und hat trotzdem den Punch von unten. 145PS bei 149NM Drehmoment lassen die GS fliegen, wenn man die Gashand dreht und die Vibrationen, die mir früher die rechte Hand einschlafen ließen, sind auch weg.

bmw
BMW R1300GS

Agil und leichtfüßig

fühlt sich die BMW R1300 GS an, auch im Vergleich mit der kleineren F900 GS. Kein Dickschiff mit behäbigem Handling, wie es einmal war. Der Motor ist unglaublich laufruhig und drückt trotzdem von unten enorm an. Sehr leiwand kann ich da nur sagen, und fährt sich um eine Klasse besser als der Reihenzweizylinder der F900 GS.

Gut, der Klang des Motors aus dem Auspuff ist scheinbar den Emissionsbestimmungen zum Opfer gefallen. Am Stand klingt der Motor, als wäre er hin und der dumpfe Boxersound fehlt auch trotz Akrapovic, aber zum Fahren ist er aus meiner Sicht der „beste Boxer“ den BMW jemals auf den Markt brachte. Auch der Schaltautomat, der normal bei den Boxermotoren erst ab 4000 U/min halbwegs funktioniert, hat bei der R1300 GS immer gut gearbeitet. Sowohl beim Rauf-, als auch beim Runterschalten. 

agil bmw
Der Motor ist unglaublich laufruhig

Luxusklasse

Die Bezeichnung Luxus wählte ich aufgrund der technischen Lösungen, die BMW bei der R1300 GS anbietet, die auch das Fahrerlebnis positiv beeinflussen:

  • Adaptiver Tempomat, der auch das Rechts-Überholen-Verbot einhält. Einen Tempomat gibt es schon bei einigen Herstellern und gerade bei langen Verbindungsetappen ist das ein echt leiwandes Feature. Jeder kennt aber die Schattenseite, wenn der Vordermann mit schwankenden Geschwindigkeiten fährt, muss man immer herum justieren. Bei der R1300 GS nicht mehr, denn das Radar oberhalb vom Licht erkennt die KFZs und regelt den Abstand automatisch. Wenn man auf der Autobahn auf der rechten Spur fährt und der Mittelspurschleicher kommt in die Erfassung, dann verhindert das BMW System auch ein rechts Überholen (das taugt mir weniger, aber schont die Geldbörse).
     

  • Tote Winkelwarnung im Rückspiegel. Wie beim Auto werden Fahrzeug links und rechts im Spiegel durch ein Dreieck signalisiert
     

  • Ein geringes Gewicht im Vergleich zur Vorgängerin (12kg weniger, jedoch ohne Hauptständer den es nur mehr optional gibt).
     

  • Geändertes Telelever (EVO mit Flexelement), erstens um frühere Probleme der Haltbarkeit zu beseitigen, als auch eine geänderte Geometrie, um das Fahrgefühl für das Vorderrad und die Lenkpräzision zu verbessern. Merkt man!
     

  • Ein neuer Rahmen, statt Gitterrohr wurde aus der Leichtbau Automobilindustrie ein warmgeformter ultrahochfester Stahl verwendet, der einerseits enorme Steifigkeit ermöglicht, als auch flexible Elemente, die den notwendigen „Flex“ an der richtigen Stelle ermöglicht.
     

  • Das Getriebe wanderte von hinten nach unterhalb des Motorblocks. Dadurch konnte eine der alten Bauform geschuldeten Welle wegfallen. Die Schaltbarkeit, auch mit Schaltautomat, wurde merklich verbessert. Der zu kurze 6.Gang der 1250 GS wurde bei der 1300 GS geändert.
     

  • Das neue markante Licht, kein Motorrad hat mir bis dato den Weg so gut ausgeleuchtet, wie der Matrix LED Scheinwerfer bei der BM R 1300 GS. Optional gibt es auch noch 2 Zusatzscheinwerfer.
     

  • Ein neues elektronisches Fahrwerk (Option), welches auch die Federrate automatisch anpassen kann. Wenn man diese Option ausgewählt hat, dann senkt sich die BMW beim Stehenbleiben (unter 25 km/h) selbst ab, damit auch Kleinwüchsige bequem mit beiden Füßen den Boden erreichen. Beim Aufbocken auf den Hauptständer (optional) hebt sich die BMW an, damit dieser Vorgang mit weniger Kraftaufwand gelingt.
     

  • Das optionale Enduropaket ist absolut empfehlenswert. Erstens ist es BMW untypisch günstig (EUR 698.-) und bietet für diesen Preis ein paar wichtige Extras, wie Sturzbügel, Unterfahrschutz, Lenkererhöhung, verstellbare Fußrasten, verstellbare Schalt- und Bremshebel und einen kurzen Endurohebel bei der Kupplung (wieso gibt es das nicht bei der F900GS?). Die Blinker im Handschutz werden durch Stangenblinker ersetzt, die im Gelände besser geschützt sind (BMW Wien hat mir verraten, dass das einige Kunden nicht wollen – ich verstehe das Drama darüber nicht wirklich).

Die Schattenseiten der BMW R1300 GS

Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt und so gibt es ein paar Dinge, die mir persönlich nicht so gut gefallen haben.

  • Der Sound, wie schon erwähnt klingt der neue wassergekühlte Boxer am Stand, als würde er keine 100m mehr schaffen. Der optionale Akrapovic konnte da keine Abhilfe schaffen. Vermutlich den Emissionsvorgaben geschuldet fehlte mir der dumpfe Klang des Boxers.
     

  • Das Integralbremssystem hat mir gar nicht zugesagt. Bei der BMW R1300GS bremsen leider immer beide Bremsen elektronisch geregelt mit. In der Praxis bedeutet das, dass sich der Druckpunkt der Vorderradbremse ändert, wenn man die Hinterradbremse zusätzlich betätigt. Im normalen Cruisermodus nicht so schlimm, wenn man aber im „knocking on heavens door“ Modus unterwegs ist, oder bei Notbremsungen, stört mich dieses System enorm. Kann man auch nicht abschalten.
     

  • Mein Testmotorrad war mit Stollenreifen ausgestattet. Um ehrlich zu sein, habe ich Sorgen bei so viel Elektronik mit der GS im Gelände zu fahren (ich meine damit keine Schotterwege!). Einmal Umfallen kostet dann ggf. ein paar Tausender, und wenn mein Abstandsregeltempomat im Auto schon bei starkem Schneefall ausfällt, was passiert dann bei der GS, wenn diese im Gelände eine Gatschpanier bekommt, oder man einen Fluss durchquert (z.B. beim TET)?!? Bei soviel Elektronik, Stellmotoren, Sensoren, etc., ist eine Problembehebung "in the field" vielleicht komplizierter.

Mein persönliches Fazit:

Die BMW R1300 GS ist ein absolut empfehlenswertes Motorrad. Gäbe es keine Vorgängermodelle, dann würde ich verstehen, wieso die GS das vermutlich meist verkaufte Motorrad bei BMW ist. Viele Schwächen der Vorgängermodelle wurden verbessert, der neue Boxermotor ist ein gelungener Wurf.

Ich kann mir die R1300 GS auch sehr gut als Daily Driver in der Stadt vorstellen, aber natürlich hat sie ihre besonderen Vorzüge als Reisemotorrad. Ein sehr guter Windschutz mit elektrisch verstellbarem Windschild, eine bequeme Sitzhaltung, der adaptive Tempomat erleichtert lange Autobahnetappen, und die Qualität ist BMW-typisch auf hohem Niveau. Durch die Änderungen beim Chassis und Motor/Getriebe, sowie dem Telelever fährt sich die große GS fast wie ein Moped, ohne nervös zu sein.

Beim Preis bleibe ich zwar unter dem Preis meines absoluten Traumbikes, der S1000RR, aber ein Bausparer wird nicht reichen, denn bei den Motorrädern ist es nicht anderes als bei den Autos. Wer die Luxusklasse fahren will, der muss ablegen.

 PS: Nach diesem Test Grüße ich auch wieder andere GS-Fahrer, aber nur jene, die mit der 1300er unterwegs sind. 

Tags