Ducati Desert X - Testbericht

Der erste optische Eindruck der Ducati Desert X lässt ältere Semester eventuell an den legendären Cagiva 900 Elefanten erinnern - eine der Ikonen in der Rally Dakar Zeitgeschichte und großartiges Allzweckmotorrad. Der zeitlose Retro Look mit modernen Akzenten ist ein echter Hingucker  – che bellezza! Grundsätzlich konzipiert als Offroad Machtinstrument, möchte man aber auch aufgrund der Ausstattung und Geometrie einen viel breiteren, alltagstauglicheren Einsatzbereich mit viel Reichweite vermuten.

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Mit der Desert X "on the Swing"

Einleitung

Ich gebe es zu, ich hatte Enduros noch nie wirklich auf meinen Radar. Mich hat es immer zu den nackerten und den vollverschalten Eisen hingezogen, nur einmal nannte ich für ca. 2 Jahre eine KTM 625 Supermoto mein Eigen. Enduros waren mir immer irgendwie zu schwer, zu breit, zu hoch, zu lang – das sind scheinbar so im Unterbewussten meine Vorurteile gegen diese Art von Motorrädern. Deswegen war ich schon neugierig wie ich mit der von Ducati Wien für uns zur Verfügung gestellten Ducati Desert X, zurechtkommen würde. 

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mit einem Wort: Clean

Der erste Blick

Bei einem ersten Rundgang um die wirklich schlank gebaute Desert X bemerkt man, dass Ducati bei all den modernen, fast schon futuristischen Ansätzen, die klassischen Züge der 80iger und 90ziger Enduros im Fokus hat. Auch die reduzierten Farbakzente der weißen Variante , besonders an den Seitenverkleidungen, erinnern schon irgendwie an das damalige, kultige Lucky Strike Modell der Cagiva 900 Elephant.

Absoluter Hingucker ist das außergewöhnliche Design der Frontscheinwerfer, deren Halogenlicht auch bei Nacht die Strecke hervorragend ausleuchten. Auch der serienmäßige schlanke Auspuff gefällt mir sehr gut! Optisch schöner als die sonst häufig montierten, massiv wirkenden Krapfen und hat auch noch den Vorteil, dass man Seitenkoffer näher an das Motorrad heranbringt. Zudem klingt er auch noch richtig kernig – top!

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The Evil Eyes

Das Cockpit wirkt aufgeräumt, ohne sichtbares Kabelgewurschtel und wird durch ein hochformatiges (!), wirklich immer gut ablesbares, farbliches 5 Zoll TFT Display abgerundet. Stolz wird auch der Lenkungsdämpfer optisch in Szene gestellt, der gute Arbeit verrichtet, allerdings nicht einstellbar ist. Am wunderschönen Heck ist auch ein Metallbügel angebracht, der aber durch seine doch etwas schmale Bauweise wahrscheinlich eher zum Bergen des Motorrades denn als Sozia Griff gedacht ist.

Zuletzt möchte ich auch noch die formal wunderschönen Felgen erwähnen, die ungewöhnlich über die Breite der Reifen hinausgehen – optisch ein echter Blickfang, bin ich mir aber nicht sicher ob das nicht eine größere Angriffsfläche für Beschädigungen sein könnte. 

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optisch ein echter Blickfang

Schon nach den ersten Kilometern fühle ich mich auf der Desert X richtig wohl, das ist richtig bequemes Motorradfahren. Die auf den ersten Blink etwas schmale Sitzbank ist zwar ein wenig von der härteren Seite, aber bequem genug um darauf länger „abzulümmeln“.

Der Kniewinkel ist angenehm, nicht zu spitz und trägt somit zur entspannten Sitzposition bei. Durch den breiten, gekröpften Lenker nimmt man eine etwas sportlichere Sitzposition ein, als vielleicht gedacht. Man sitzt ein wenig weiter weg von Armaturen und Windschild, die Wind Verwirbelungen halten sich aber zumindest bei meiner Körpergröße von 175cm in Grenzen - auch auf der Autobahn bei der erlaubten Höchstgeschwindigkeit.

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Aus der Stadt in den Landschafts-Dschungel

Die Scheibe des Windschildes könnte daher ein wenig größer bzw. höher sein. Für größere Fahrer lohnt es sich da eventuell mit etwas aus dem Zubehörbereich nachzurüsten. Für jene, die ihre Tour in kältere Gefilde planen oder auch den Ganzjahrersfahrer gibt es optional Heizgriffe, mit denen unser Motorrad bereits ausgestattet ist. Die Sitzhöhe beträgt mächtige 87,5cm, aber dafür gibt es 25cm Bodenfreiheit, die bei heftigeren Offroad Passagen sicher für viel Freude sorgt. Bei meiner Körpergröße kann ich mich beidseits zumindest mit den Fußballen abstützen, aber das Rangieren aus dem Stand, vor allem das Rückwärts Rollen bei leichter Steigung ist für mich dadurch schon ein wenig zum Kraftakt geworden - vollgetankt wiegt die Desert X beachtliche 223kg, auch wenn man es ihr vielleicht nicht gleich ansieht. 

Was das Fahrverhalten angeht, ist die Ducati Desert X aus meiner Sicht über jeden Zweifel erhaben. Als allererstes muss ich gleich einmal die sehr leichtgängige Kupplung erwähnen, die das Motorrad auch für den Stadtverkehr mit häufigen Schaltvorgängen absolut tauglich macht. Konkurrenzlos zu den Ducati Modellen die ich bisher gefahren bin, wo doch immer ein wenig mehr Fingerkraft notwendig war um den Kupplungshebel zu ziehen.

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Sitzposition bei 175cm Körpergrösse

Übungen mit einem Fingertrainer am Abend vor dem Fernseher waren da zumindest bei den älteren Ducati Modellen meist von Vorteil ;-) Ja, es ist auch serienmäßig ein Quickshifter verbaut, der mit offenem Gas hinaufschalten und mit geschlossenem Gas sehr ordentlich ohne kuppeln runterschalten lässt. Aber in anstrengenden bzw. langsamen Passagen, sei es Offroad oder auf der Straße kann man mit zwei Fingern die Kupplung schleifen lassen bzw. gut dosieren – diese Leichtgängigkeit ist einfach ein Traum. 

Großartig finde ich auch den verbauten, wassergekühlten Testastretta 937ccm Motor, der auch in der Hypermotard und der Multistrada V2 werkt. Dieser liefert 110PS bei 9250Um/min und 92Nm bei 6500Um/min ab, was die Desert X zur stärksten Mitteklasse Enduro macht. Aber das Geile ist, das sind nicht nur Papierwerte sondern der Motor macht richtig Spaß zu fahren, ist durchzugsstark, hängt wirklich satt am Gas und lässt sich aber auch untertourig noch gut fahren.

Dazu kommt noch das leichtgängige und exakt schaltende Getriebe, das in den unteren Gängen merkbar kurz übersetzt ist und nur den 6 Gang sehr lang bis zum Topspeed von ca. 210 km/h ausdrehen lässt. Das trägt positiv zur Fahrdynamik und Spritzigkeit bei, hat aber auch den Vorteil, dass man in den unleidlichen 30er aber auch in den 50er Zonen mit dem 2ten bzw. 3ten Gang in einem angenehmen, ziemlich laufruhigen Drehzahlbereich bei ca. 2500-3000 Um/min befindet. 

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Dual Betrieb

Im Offroad Bereich wird Ducati Desert X fahrwerkstechnisch ja von allen Seiten über ihre hervorragenden Qualitäten gelobt, aber auch auf der Straße steht sie dem um nichts nach. Trotz langer Federwege, 230mm vorne und 220mm hinten, lenkt das Motorrad präzise ein, ist sehr agil – auch schnelle Lastwechsel meistert sie ohne Probleme. Ein leichter Schenkeldruck reicht. Das Fahrwerk ist auch nicht so weich wie ich vermutet hatte, sondern würde ich eher im mittelsportlichen Bereich einordnen. Darüber hinaus lässt es sich noch individuell anpassen, denn vorne ist die mächtige 46mm Upside Down Gabel voll verstellbar, das Federbein hinten in Vorspannung und Zugstufe.

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Race und Tourenoptik zugleich

Für das schnelle und präzise Verzögern sorgt eine Brembo Bremsanlage mit 2x 320mm Bremsscheiben vorne sowie hinten mit 265mm - gut und nicht zu bissig, für mich mit zwei Fingern fein dosierbar. 

Das Elektronikpaket lässt ebenfalls kaum Wünsche offen: Kurven-ABS, Tempomat, schräglagenabhängige Traktionskontrolle, sowie Wheelie-Kontrolle, lassen sich in 6 Fahrmodi unterschiedlich konfigurieren. Die Menüführung im schicken, hochformatigen 5 Zoll TFT Display ist nicht allzu kompliziert, benötigt anfangs aber doch ein wenig Studium. Smartphone Connectivity ist ebenfalls an Bord und somit lassen sich auch Daten / Infos via einer Handy App auslesen. Praktisch!

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Höchtste Verarbeitungsqualität

Wer längere Touren bzw. Motorradreisen plant, wird mit der Ducati Desert X ebenfalls seine Freude haben. 

Der 21 Liter Tank lässt zumindest bei meiner Fahrweise (5,2l/100km) eine Reichweite von ca. 400km zu und man kann optional sogar noch um einen 8 Liter Zusatztank hinter der Sitzbank erweitern, der sich auch formschön in das Gesamtbild integriert. Allerdings passen dann die originalen Alukoffer nicht mehr auf das Motorrad, die schon viel Stauraum bzw. Zuladung zulassen und auch sehr gut aussehen. Die Qual der Wahl, denn zuladen kann man auf die Ducati einiges: nämlich satte 240kg! Das sind schon wahre Globetrotter Dimensionen, inkl. allen Drum und Dran. Unterstützt werden dann Ebensolche auch noch mit einem Serviceintervall von 15.000km oder 2 Jahren! Buon viaggio!

Fazit:

Ich bin kein Endurist, aber die Ducati Desert X hat mich schon begeistert. Alleine die Tatsachen wie die bequeme Sitzposition, die angenehme Motorcharakteristik, ein gut abgestuftes Getriebe und die leichtgängige Kupplung machen die Ducati für mich zu einem unkomplizierten Alltagsmotorrad. Die hervorragende Bremserei und zahlreiche Elektronikhelferlein inklusive Quickshifter sowie Tempomat sind dann noch das Schlagobers auf der Torte. Ducati hat es meiner Meinung geschafft 1 Motorrad für 2 Welten anzubieten: auf der einen Seite ein mächtiges, alles wegbügelndes Offroadwerkzeug und auf der anderen Seite eine für die Straße durchaus sportlich zu bewegende Reiseenduro mit großer Reichweite und ausreichenden Komfort. Darüber hinaus mit einer wunderschönen Optik  – Italienerin halt! Ich hoffe, ich wachse noch 5cm, dann könnte es eine große Liebe werden ;-)

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