VNUK – oder wie ein Sturz von einer Leiter den europäischen Motorsport gefährdete
Im August 2007 wurde der slowenische Damijan Vnuk, der auf einem Bauernhof arbeitete, verletzt, als der Bauer mit seinem Traktor samt Anhänger die Leiter umfuhr auf der Vnuk stand. Vnuk klagte in der Hoffnung von der Haftpflichtversicherung des Bauers Geld zu bekommen auf Schadensersatz.
Die slowenischen Gerichte wiesen die Klage ab, da der Traktor zu dieser Zeit nicht als Transportmittel verwendet wurde und damit nicht der Haftpflichtversicherung unterlag. Der Fall wurde an den Europäischen Gerichtshof verwiesen, der im September 2014 entschied, dass die europäischen Kfz-Versicherungsrichtlinie dahin zu deuten ist, dass jedes Kraftfahrzeug eine Haftpflichtversicherung haben muss, unabhängig davon, ob es auf Privatgrund (Rennstrecken) oder auf öffentlichen Straßen bewegt wird.
Einmal implementiert, würde dieses Urteil bedeuten, dass jedes Motorsportfahrzeug eine Versicherung benötigt, die Personen- und Sachschäden des Mitbewerbers während einer Motorsportveranstaltung in der EU abdeckt. Das Problem dabei ist, dass es in keinem Land eine KFZ-Haftpflichtversicherung gibt, die für den Motorsport die Anforderungen der Kfz-Versicherungsrichtlinie erfüllt. Selbst wenn die Versicherungen ein entsprechendes Produkt entwickeln würden, die der Kfz-Versicherungsrichtlinie entsprechen, würde es den Motorsport um vieles verteuern, sodass sich viele Teilnehmer dies wohl nicht mehr leisten können bzw. wollen.
Auf den Punkt gebracht: Wenn die Kfz-Versicherungsrichtlinie durch die Gesetze jedes EU-Staates aktiv durchgesetzt würde, wäre jedes Rennen oder jeder Wettkampf illegal, da die erforderliche Kfz-Pflichtversicherung für die teilnehmenden Fahrzeuge nicht zur Verfügung steht.
Nach langem hin und her wurde zuletzt eine Schlüsselabstimmung im Binnenmarktausschuss der EU im Sinne des Motorsports entschieden und beschlossen, dass der Motorsport vom Wortlaut der Kfz-Versicherungsrichtlinie auszuschließen ist. Im Februar beschlossen auch die Abgeordneten des europäischen Parlaments den Änderungsantrag zum Ausschluss des Motorsports aus dem Wortlaut der Kfz-Versicherungsrichtlinie zu unterstützen.
Es wird noch dauern, bis alle erforderlichen Schritte gesetzt wurden um die Änderungen in die Kfz-Versicherungsrichtlinie einzuarbeiten und Rechtssicherheit zu schaffen. Diesmal dürfte aber im Entscheidungsprozess der EU die Vernunft gesiegt haben und es auch in Zukunft möglich sein Motorsport, so wie wir ihn kennen, weiter zu betreiben.
Die Vorstellung, dass ein von einer Leiter gefallener Arbeiter, den europäischen Motorsport zu Fall gebracht hätte, wäre mehr als skurril. Dank intensiver Bemühungen der Motorradindustrie, Verbänden, Plattformen und Interessengemeinschaften die dieses Thema entsprechend gefördert und bearbeitet haben, dürfte Schlimmeres verhindert worden sein.
Am Rande: Als eines der wenigen Länder in Europa besteht in Österreich im Rahmen einer Privathaftpflichtversicherung die Möglichkeit, dass Schäden Dritter bei Motorsportveranstaltungen in sehr engen Grenzen versichert sind. Dies dann, wenn das Kraftfahrzeug kein behördliches Kennzeichen tragen muss oder trägt oder kein Pocketbike ist.
PHILIPP STOSSIER
Rechtsanwalt in Wels
philipp@stossier.eu
www.stossier.eu
https://www.linkedin.com/in/philipp-stossier/
TEXT: Philipp Stossier
FOTO: Heinz Kinigadner
Philipp Stossier ist selbst begnadeter Motorradfahrer, sowohl im Geländer als auch auf der Straße, letztens bei der Oasis Rallye 02 2019 vorne mit dabei und hier beim Service von seiner Rallye KTM