Die Ducati Diavel lässt sich aufgrund des außergewöhnlichen Konzeptes nicht so einfach klassisch kategorisieren. Aufgrund des langen Radstandes ein Cruiser, von der Sitzposition eher ein Naked Bike, mit der Motorpower eines Hypersportlers – aber vor allem würde vielleicht der Begriff Muscle Bike am ehesten zu ihr passen. Denn kraftvoll, wuchtig, ja fast brachial ist das Erscheinungsbild. Im Detail sticht da sofort die markante Front mit den großdimensionierten Lufteinlässen sowie der mit LED Tagfahrlicht umrundete Scheinwerfer auf. Fast schon elegant wirkt der neue und knapp 5 kg leichtere Alurahmen, der den neuen Granturismo-V4 Motor umschmiegt. Der Raketenwerfermäßige 4-Rohr Endschalldämpfer gibt viel Sicht auf die wunderschöne Leichtmetall Hinterradfelge frei, auf die ein fetter 240er Pirelli Diablo Rosso 3, mit eigens für die Diavel konzipierter hoher Kontur, aufgezogen ist. Das Heckchassis wird durch eine LED Matrix Brems- und Rücklichteinheit abgeschlossen. Kein Zweifel, die Ducati Diavel V4 ist ein Motorrad das viele Blicke auf sich zieht.
Mit einer gewissen Portion Respekt nehme ich auf der sportlichen, aber doch eher breit dimensionierten Sitzbank Platz. Die Sitzhöhe von 790mm kommt meiner Körpergröße von 175cm sehr entgegen – beide Füße sind fest am Boden. Als ich die Ducati vom Seitenständer hole, merkt man das fahrbereite Eigengewicht von 236kg. Zwar 9kg leichter als der V2 Vorgänger, aber immer noch ein schönes Bröckerl. Der 20l Tank baut sich lang und breit vor mir auf - man fühlt sich gut in das Motorrad integriert. Der breite und zum Fahrer hin gekröpfte Lenker sorgt für eine sehr aufrechte Sitzposition. Die Fußrasten sind ein klein wenig weiter nach vorne versetzt als bei einem üblichen Naked Bike und dadurch ergibt sich ein sehr angenehmer Kniewinkel. Alles in allem sitzt man so bequem auf dem Motorrad, dass man vor allem bei längeren Etappen gerne eher relaxt und schon fast zu lässig in der Sitzmulde herumknotzt - let’s go touring.
Beim Rangieren aus dem Bereich der Ducati Wien Liesing Werkstätte bin ich von dem guten Lenkereinschlag überrascht, bei vollem Einschlag könnten meine Oberarme sogar etwas länger sein. Ein Druck auf den Startknopf und der 1158ccm Motor erwacht mit tiefem, voluminösem Klang – der außergewöhnliche Endschalldämpfer verrichtet soundtechnisch großartige Arbeit und ist darrüberhinaus auch richtig laut. Es sind einige Ampeln vor mir bevor es nach Vösendorf auf die Freilandstraße geht und der Verkehr ist stockend. Aber die Kupplung ist angenehm leichtgängig und auch der Motor strahlt im Stadtbetrieb selbst bei knapp 30 Grad Außentemperatur keine unangenehme Hitze ab. Denn Ducati hat den Granturismo Motor wie bei der Multistrada mit einer Abschaltung der hinteren Zylinderbank ausgestattet - wenn sich die Diavel im Leerlauf, Langsamfahrt unter 4000Umin oder im Schubbetrieb befindet. Weiters soll sich dadurch auch der Spritverbrauch ein wenig reduzieren. Alles zusammen, ein fetter Punkt für die Alltagstauglichkeit.
Endlich liegt Wien hinter mir und der mächtige Motor kann von der Leine gelassen werden – und der reißt unglaublich heftig an. Bist du deppad. Die 168 PS und das gewaltige Drehmoment von max. 126Nm Drehmoment beschleunigen die 236kg Masse so enorm nach vorne – das fühlt sich wie der sprichwörtliche Ritt auf einer Kanonenkugel an. Drehzahlen knapp unter 3000 U/min sind zwar nicht so der favorisierte Bereich der Diavel V4, aber im Vergleich zu älteren V2 Aggregaten läuft der Motor auch in diesem niedrigeren Bereich recht harmonisch und hackt nur gering in die Kette. Jedoch darüber, vor allem ab 5000U/min…. omnipräsente Leistungsexplosion pur. Der Motor hängt auch sehr sauber am Gas und lässt sich superfein dosieren. Eigenschaften eines Racers.
Als die ersten Kurven auftauchen wird der Herzschlag schneller, aber in Bewegung ist das hohe Gewicht des Motorrades so gut wie gar nicht bemerkbar und das gilt auch für das Kurvenverhalten. Es braucht zwar vielleicht ein Eitzerl mehr Körpereinsatz aber trotz des langen Radstands von 1593mm und der breiten Reifen (vorne 120/70 ZR17, hinten 240/45 ZR17) ist die Diavel V4 unerwartet agil und lässt sich in Kurven leicht manövrieren. Die Fahrwerksabstimmung ist sportlich und gleichzeitig komfortabel. Kanaldeckel, Fahrbahnschweller und andere leichtere Straßenunebenheiten werden angenehm von den Federelementen geschluckt, gleichzeitig bleibt das Fahrwerk auch bei höheren Kurvengeschwindigkeiten sehr präzise. Die mächtige 50 mm Up-Side-Down-Showa-Telegabel und das Sachs-Federbein sind voll einstellbar und bieten auch bei höherem Körpergewicht oder vor allem Fahrten zu zweit ggf. genug Einstellmöglichkeiten. Generell hat Ducati hier einen hervorragenden Kompromiss zwischen Dynamik und Langstreckenkomfort gefunden.
So viel Performance bei doch eher hohem Gewicht müssen aber auch perfekt in Zaum gehalten werden. Daher hat Ducati die Diavel V4 vorne mit hochwertigen Brembo Stylema Monoblock-Bremssätteln und 330-mm-Scheiben ausgestattet. Diese sorgen für eine enorme Bremskraft und eine exzellente Dosierbarkeit. Aber auch hinten arbeitet der Brembo 2-Kolben-Bremssattel mit einer 265 mm Einscheibenbremsanlage merkbar und zuverlässig. Unterstützt wird das Bremssystem von modernster Elektronik, darunter Kurven-ABS und Traktionskontrolle. Ducati bietet zudem eine Wheelie- und Launch-Control – angenehme Vorteile fürs Ampel Hatzerl ;-)
Die Diavel V4 ist außerdem mit mehreren Fahrmodi ausgestattet: Sport, Touring, Urban und Wet. Jeder Modus verändert die Leistungsabgabe, die Traktionskontrolle und das ABS, um sich an verschiedene Straßenverhältnisse und Fahrstile anzupassen. Wobei bei Wet und Urban die Gasannahme wirklich schon ein wenig träge und dafür bei Sport sehr sensibel ist - ich war am liebsten im Touring Modus unterwegs. Die Bedienelemente am Lenker sind praktischerweise hinterleuchtet und das 5-Zoll-TFT-Display liefert alle notwendigen Informationen. Die Bedienung des Menüs ist relativ intuitiv und daher schnell erlernt.
Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass die Ducati Diavel V4 im Normalfall nicht allzu wartungsintensiv ist. Der Ölwechsel wird erst nach 15.000 Kilometer, die Ventilspielkontrolle erst alle 60.000 Kilometer fällig. Auch der Verbrauch hält sich für den großen Motor, der brachialen Leistungsabgabe sowie relativ hohen Eigengewicht im Rahmen: bei mir gönnte sich der V4 Granturismo Motor lt. Bordcomputer 6,1l im Durchschnitt (1/4 Stadt, 3/4 Freiland, keine Autobahn)
Fazit: