Erfahrungsbericht Wheelie-Training

Driving Camp Pachfurth bei Wien. Es ist halb zehn am Samstagmorgen. Ich stehe noch auf dem Parkplatz und bin etwas aufgeregt was da gleich auf mich zukommt: Der „Real Free Wheelie-Trainer“.

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Real Free Wheelie Trainer

Ein einzigartiges Gerät, um Wheelies auf dem Motorrad zu üben und irgendwann zu können. So zumindest die Eigen-Werbung. Na gut. Ich bin gespannt.

30 Minuten habe ich noch. Also erst mal ein Kaffee an der Bar mit den anderen sechs Teilnehmern, die in den nächsten vier Stunden – so lange dauert der Spaß – das Gleiche erleben wollen. Und zu meiner Überraschung: Die sehen alle ganz normal aus. Gar keine überdrehten Knieschleifer, die nur Unsinn im Kopf haben.

Kurz vor zehn ist ER dann auch da, der angeblich legendäre Stefan "Stevemachine" Brokisch. Der Name ist bei ihm Programm. Wenn also einer den Wheelie kann, dann er. Ich kenne ihn gar nicht aber der erste Eindruck: Netter Kerl im völlig verrückten Outfit. Mit Kinderpulli aber einem Bart zum drin-verstecken. Er kümmert sich sofort um jeden einzelnen, fragt, wie die Anreise war und dass er sich aufs Programm freut! Ok, für 399 Euro pro Person kann man eine nette Begrüßung auch durchaus erwarten.

Wir gehen los. Auf in die Nachbarhalle, wo das Gerät auf uns wartet. Majestätisch steht es da, ein überdimensionaler Rahmen aus schwerem Stahl, mit einem tatsächlich echten Motorrad in der Mitte, einer Suzuki Gladius 650.

 

Steve steht entspannt hinter mir und korrigiert sanft meine Fehler

 

Zwei Stunden später: Alle sind inzwischen ein paar Mal drauf gewesen, auf dem Bock. Das Hinterrad wird beidseitig gehalten und fährt auf einer Walze, ist also noch nicht frei. Level 1 bis 3 haben alle schon hinter sich gebracht. Richtiges Sitzen, Blickführung und das Spiel mit Bremse und Gas – während die Technik uns eher sanft in den Wheelie katapultiert hat.

Ich beschreibe die ersten Turns mal aus meiner Sicht – als Anfänger, der noch nie einen Wheelie auf der Straße gewagt hat: Ich steige auf, Steve steht unmittelbar hinter mir und ich beschleunige die Gladius auf ca. 40 km/h. Unmittelbar presst der Sound in die Halle und die Windmaschine vor mir kommt auf Touren. Klar, zur Motorkühlung, es gibt ja keinen Fahrtwind.

Ich reiße auf – bzw. die Technik hilft mir (noch) dabei, ist ja schließlich erst Level 2. Und kippt der Lenker, so wird auch der gehalten. Von Halteseilen, die ich erst jetzt entdecke. Ist nicht schwer, denke ich, trotzdem wackelt die Maschine ganz schön. Aber genau darauf kommt’s ja an, erklärt mir Steve. Das Bike ruhig halten. Mit dem Gas ein bisserl spielen. Sicherlich echte Feinmotorik, die da gefragt ist.

Also Level 3, Grenzen austesten. Und die kommen. Denn die Maschine ist sofort oben! Die Arme verkrampfen fast. Es wird ein wenig zittrig. Mein ganzer Körper muss jetzt mit der Suzuki arbeiten. Und warum? Tja, mehr Spiel an der Walze und weniger Unterstützung von der Technik. Aber Steve hilft ja mit. Und deswegen: Geschafft! Schon jetzt ein geiles Gefühl. Ich will mehr!

Ich habe jetzt Pause, nehme mir einen Snack und schaue den anderen zu. Sowie den Korrekturen und Kommentaren von Steve. Ich gebe zu, da lernt man fast genauso viel wie beim Selbstfahren.

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Für Freude ist gesorgt

Zweite Hälfte: Wieder kommt jeder zwei Mal an die Reihe. Und tatsächlich werden alle Schritt für Schritt besser und klettern die Level-Leiter langsam nach oben. Level 4 ist wirklich eine andere Dimension: Die Rampe hebt mich zwar wie zuvor in den Wheelie aber dann ist das Motorrad zum ersten Mal wirklich frei! Balanciert nur mit meinem Zug am Gas oder dem leichten Betätigen der Fußbremse. Wahnsinn! Da musste ich tatsächlich erst mal (laut) grinsen!

Ein andere Biker ist schon Stammkunde und daher weiter als die anderen. Er hat Recht, wenn er sagt, dass jedes weitere Level mehrfach so schwer ist wie das vorherige. Stefan: „Jede Stufe muss souverän beherrscht werden. Immer Schritt für Schritt“. Uff, das ist mal eine Ansage!

Immer noch Level 4 für mich. Die Bremsscheibe glüht schon wieder. Und das tut sie tatsächlich. Steve steht entspannt hinter mir und korrigiert sanft meine Fehler – und dass, obwohl die Gummi-Wuzzel sich schon vom Reifen schälen. Aber das gehört ja wohl dazu!

Noch mal Steve: „Bei den hohen Levels spürt Ihr den Wheelie wirklich zu 100%! Ab Level 8 sogar mit völlig eigenem Aufreißen. Das ist das Tolle hier. Einen Wheelie dauerhaft zu erleben. Sich zu korrigieren. Zu spielen. Auch mal etwas auszuprobieren und Körperbewegungen zu testen. Aber all das OHNE jede Gefahr! Während das Vorderrad oben bleibt!

Vier Stunden sind rum. Vergingen wie im Flug. Am Ende war’s Level 5 für mich, andere kamen sogar auf die 6. Jetzt bin ich heiß und will mehr! Das nächste Training ist erst in sechs Wochen, bis dahin heißt es also warten. Aber: 399 Euro sind schon viel Geld. Aber im Vergleich zum Üben auf der Straße auch ein echtes Schnäppchen – und das sogar völlig legal.

Noch ein Wort zum Hintergrund – quasi die Frage: „Wer hat‘s erfunden?“

Dazu müssen wir ein paar Jahre zurück. Hinein in einen der vielen erfolgreichen Tage der Safebike-Trainings der Stadt Wien auf dem Gelände des Driving Camp. Eine illustre Runde gesellte sich zum Abschlussgespräch. U.a. waren das Erzberg-Rodeo Mastermind Karl Katoch und der schon erwähnte Stefan Brokisch.

Eine Frage kam auf: Könnte man eigentlich auch Laien das Wheelie-Fahren beibringen? Und wenn ja, wie? Also ohne eine Flut von Stürzen, Verletzungen und Schäden zu hinterlassen.

Die ersten Ideen sprudelten schnell heraus und auch die Umsetzung dieses Projektes lag "fast" auf der Hand bzw. im gleichen Haus: Denn der Eigentümer und Entwickler des Driving Camp Pachfurth fackelte nicht lange und tat was er schon immer gut konnte: Er entwickelte bzw. baute eine Konstruktion gemäß der Vorgaben der Experten. Und fertig war er: Der erste wirkliche "Real Free Wheelie-Trainer"!