Es war wieder so weit, BMW stellte Motorradreporter ihren neuen Elektro-Roller BMW CE04, in der L3e-A1 Version, also ein 125er Roller, fahrbar ab 16 Jahren mit Führerschein, bzw. für B-Führerscheinbesitzer mit Zusatzprüfung, zum Testen zur Verfügung.
Die Abholung bei BMW-Wien Heiligenstadt begann zunächst problemlos. Ich bekam eine kurze Unterweisung, dank Keyless Schlüssel muss man nur einen Knopf drücken und schon erwacht der Roller lautlos aber gut erkennbar an seinem riesigen Breitbildschirmdisplay, quasi IMAX am Roller, zum Leben.
Ich gab vorsichtig Gas, aber nichts passierte. Über meine wachsende Verzweiflung, weil der Roller nicht losfuhr, hüllen wir den Mantel des Schweigens. Und nein, ich musste nicht zurück zu den Jungs bei BMW Wien Heiligenstadt, ich kam selbst darauf, wie es funktioniert 😊, denn man muss die BMW CE04 noch mit dem Startknopf „starten“. Nur wartet man nicht auf das Brüllen des Motors, sondern dass das Display „Ready“ anzeigt und dann kann man losfahren.
Wie erwartet erfolgt die Umsetzung der Gasstellung fein dosierbar in fast lautlosem Vortrieb, je nach Fahrmodus (Eco, Road, Rain oder Dynamik stehen zur Auswahl) entweder linear oder exponentiell.
Geht man vom Gas wird rekuperiert, also der Roller verzögert und damit wird wieder Energie zurück in die Batterie gespeist, beim Dynamik Modus so stark, dass man im Stadtverkehr tlw. gar nicht mehr bremsen muss. Bei einer Bergabfahrt konnte ich so tatsächlich mehr als 5km Reichweite dazu gewinnen.
Interessanter ist wie der E-Roller „geht“
Aber uns interessiert ja mehr das Gas geben und da legt der doch große und schwere (231kg) BMW CE04 von 0 auf 60km/h einen Sprint hin, dass meine Tochter als Sozia zum Quietschen anfing und das passierte vorher eigentlich nur ein einziges Mal, nämlich als die Aprilia RSV1000 versehentlich das Vorderrad hob, als sie mitfuhr.
Also wurde sofort die Stoppuhr und GPS-Aufzeichnung ausgepackt, um die Beschleunigung in Zahlen zu Formen. Von 0 auf 60 km/h benötigt der BMW CE04 als 125er Variante nur gemessene 2,83 Sekunden. Sehr mächtig, ich kenne keine andere legale 125er, die solche Werte vorweisen kann.
Damit kann jede* 16-Jährige mit Führschein die meisten anderen Zweiräder beim Ampelstart verblasen und das fast geräuschlos nur untermalt durch das typische e-Motor Surren. Ab 60km/h lässt dann der mächtige Vortrieb doch etwas nach und bei ca. 115 km/h war Schluss. Die offene Version hat lt. BMW mehr Durchzug und auch eine höhere Endgeschwindigkeit, sowie mehr Reichweite.
Preis und Features
In den Genuss dieses Raketen-Vortriebs kommen natürlich nicht nur 16-jährige FS Besitzer, sondern angesichts des Preises von über 12.000.- EUR auch die eigentliche Zielgruppe, nämlich die B Schein Besitzer mit Zusatzprüfung, die es leid sind im hausgemachten Stau in Wien weiter in ihren rollenden Käfigen viele Stunden zu verbringen und ganz Hip und CO2 neutral mit einem optisch besonderen Roller aus dem mittlerweile beendeten Homeoffice wieder in das Büro fahren. Ist es etwas kühler hilft die Sitz- und Griffheizung, die in 3 Stufen regelbar ist.
Falls man während der Pandemie den Weg ins Büro vergessen hat, kann man via BMW-App die Navigation nutzen, die am Breitbild Display des Rollers mit Kartenanzeige optisch perfekt dargestellt wird. Wie im Auto, entweder als Vollbild oder auch in einem geteilten Fenster.
In das Helmfach passt zwar nicht jeder Integralhelm, aber das Ladegerät kann man dort immer mitnehmen, und um die Steckdose aus den 70igern im Hof des Büros nicht zu überfordern, ist es möglich den Ladestrom von 30 Ampere auf z.B. 8 Ampere zu begrenzen und damit dann nur ca. 1800 Watt zu beziehen. Dann dauert es um die 4 ½ Stunden bis der Roller wieder ganz aufgeladen ist und man weitere 80km tatsächliche Reichweite, plus Reserven, hat.
Zusätzlich passt auch ein Sitzpolster in das Helmfach, den man aufgrund des unbequemen Sitzes bei längeren Strecken fix benötigt. Ich vermute Absicht von BMW, denn damit kaschiert man die doch zu geringe Reichweite, weil der Popo vor dem Akku w.o. gibt.
So ausgerüstet kann man dann in das Büro surren, und zieht aufgrund des eigenwilligen Designs garantiert viele Blicke auf sich. Die Meinungen sind gespalten, die Hälfte findet die BMW CE04 ganz schiach, manche mutmaßen die Herkunft aus dem Legoland, oder assoziieren ihn mit Star Wars und manche erkannten auch das Batman Pod darin. Doch es gab auch einige Daumen Hoch und viele Interessierte und nur von vorne schaut die BMW CE04 schon sehr gut aus, meiner Meinung nach.
Durch den langen Radstand und der doch guten Abstimmung des Fahrwerks liegt der Roller satt und sicher auf der Strasse, unterstützt mit ABS Pro, ASR, adaptives Kurvenlicht, Fahrmodi Pro und intelligentem Notruf fühlt man sich bei jedem Wetter sicher unterwegs. Sobald man den Seitenständer ausklappt, werden die vorderen und hinteren Bremsen aktiviert und der BMW CE04 steht dann bombenfest auch auf abschüssigen Strassen.
Der Praxistest auf der Dopplerhütte
Im ausführlichen Praxistest wurden dann auch die Königstettner Serpentinen zur Dopplerhütte bezwungen, ein Highspeedtest auf der Scheiblingsteiner Geraden wurde leider durch die mittlerweile permanente Lasermessung der Poldizwei verhindert und bei der obligaten Rauchpause wurde ein Lüftergeräusch vernommen, weil die BMW eine aktive Kühlung der 60,6Ah großen Batterie hat.
Zum Glück ging es beim Heimweg bergab und so konnte ich mit der Rekuperation die notwendigen Zusatzkilometer gewinnen, um ohne aufzuladen doch nach Hause zu kommen. Dabei bemerkte ich, dass das vordere Windschild, welches aussieht wie ein Werbeprospektentnahmeständer, den Fahrtwind genau auf den Helm leitet und die hohe Lenkerposition hatte eine gewisse Ermüdung der Hände zur Folge.
Aber jeder Ampelstart, wo manchmal das ASR eingreifen musste, weil so viel Vortrieb nicht auf jedem Untergrund greift, ließ mich das Negative wieder vergessen.
Beim Einparken unterstützt ein Rückwärtsgang das Zurückschieben, hier entdeckte ich einen Bug, denn um Rückwärts zu fahren, muss man mit der linken Hand einen Schalter betätigen und dann mit der rechten Hand Gas geben. Wenn man jetzt nicht Vollgas gibt und dann den Rückfahrschalter los lässt, dann fährt die BMW CE04 ohne Unterbrechung sofort wieder vorwärts. Da werden sich die Amis in den USA reihenweise einbauen, wenn BMW dieses Unfeature nicht rausprogrammiert.
Was mir besonders gefallen hat:
die Beschleunigung bis 60km/h und die Leistungsentfaltung
alle Sicherheitsfeatures, die ein Fahren bei Regen, oder schlechten Verhältnissen sehr sicher machen.
das leise, aber doch wahrnehmbare Surren des e-Motors. Keine Krawallmaschine wie manche lauwarme Vespa mit Akrapovic
das riesige Breitbilddisplay mit Kartennavigation sogar in teilbaren Bildschirmfenstern darstellbar
Was mir gar nicht gefallen hat:
der unbequeme Sitz
das viel zu kleine Helmfach
das hohe Eigengewicht
die zu geringe Reichweite
Mein Fazit:
Elektroroller sind sicher die Zukunft in der Stadt und BMW setzt mit dem CE04 eine weitere Referenz, im Vergleich zu den am Markt vorhandenen Alternativen an E-Rollern. Ein mächtiger Schub bis 60 km/h bei einem 125er Klasse Roller lassen auch Großroller alt aussehen, die Heinzis die zwar eine 1000er fahren, aber das Zusammenspiel von Kupplung und Gas nicht wirklich beherrschen, sowieso.
Ein Breitbilddisplay, auf dem man sich sogar Spielfilme ansehen würde und die üblichen BMW Sicherheitsfeatures machen Lust auf diesen Roller, wäre da nicht der unbequeme Sitz, die zu geringe Reichweite und der doch hohe Preis.
Ich würde mir diesen Roller in kleineren Dimensionen wünschen, um ihn in der Stadt noch wendiger und agiler bewegen zu können und natürlich etwas günstiger, dann würde ich ernsthaft überlegen, vor allem als ich jetzt wieder auf meinen Aprilia Sportcity 300 Roller umgestiegen bin merkt man erst, dass Elektro doch irgendwie „anders“ ist, aber eigentlich doch „Leiwand“.
Der Mopedmann 2022