Welcome to Germany: 7 wichtige Infos für Neu-Biker
Noch Jugendlicher, aber immerhin zukünftiger Motorradfahrer mit deutschem Pass? Oder routinierter Biker, den es aus Österreich oder anderen Ländern dauerhaft (also nicht nur zu kurzzeitigen, touristischen Zwecken) über die Grenze in die Bundesrepublik zieht? Egal, denn wer auch als in der Bundesrepublik Wohnhafter einen gepflegten zweirädrigen Lebenswandel führen möchte, muss die dortigen Regularien kennen und einhalten – und das heißt definitiv nicht nur, jenes weltweit legendäre Verkehrszeichen Nummer 282 mit dem weißen Hintergrund und den vier schwarzen Diagonalstreifen zu kennen; also das, welches sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen aufhebt.
Nein, die deutschen Regeln und Eigenheiten sind etwas umfangreicher. Auf den folgenden Zeilen haben wir deshalb die wichtigsten Punkte für alle zusammengefasst, die künftig in Germany mit einem dort zugelassenen Bike unterwegs sein möchten.
1. Die Zulassungsstellen agieren ziemlich willkürlich
Wer ein Bike (oder irgendein zulassungspflichtiges Fahrzeug) in Deutschland auf die Straße bringen möchte, muss zur Zulassungsstelle. Und zwar derjenige, die für seinen gemeldeten Hauptwohnsitz zuständig ist.
Achtung Zugezogene: Erst muss ein deutscher Personalausweis mit Adresse vorhanden sein, bevor das Bike umgemeldet werden kann.
Eigentlich sind diese Zulassungsstellen nur die regionalen „Arme“ des Kraftfahrtbundesamtes und unterliegen der (relativ neuen) Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) – sie sollten deshalb also alle eine einheitliche Vorgehensweise pflegen.
In der Praxis jedoch gibt es immer wieder Probleme mit Stellen oder auch einzelnen Mitarbeitern, etwa bei den Abmessungen der Kennzeichen. Kurzgesagt: Was eine Zulassungsstelle problemlos erlaubt, möchte die andere erst von einem Fahrzeugprüfer nachgewiesen haben und die dritte lehnt es rundweg ab. Klingt nicht fair, ist aber nach wie vor in Deutschland sehr oft gang und gebe.
Speziell alle Biker, die irgendwelche Besonderheiten zugelassen haben möchten, sollten sich entsprechend zumindest mental auf längere Diskussionen einstellen; das gilt selbst dann, wenn etwas eigentlich durch die FZV sanktioniert ist.
2. Drei Versicherungsvarianten und ein Bonussystem
Was die Versicherung (übrigens in Deutschland eine Pflicht, die durch Nachweis einer sogenannten eVB-Nummer schon bei der Zulassung zwingend vorhanden sein muss) anbelangt, gibt es in der BRD keinen Unterschied zu anderen Kraftfahrzeugen. Das Prinzip von Haftpflicht- sowie Teil- und Vollkaskoversicherung gilt auch hier – mit Haftpflicht als Mindestmaß, welches immer erfüllt sein muss.
Auch was das dahinterstehende Schadenfreiheits-Bonussystem anbelangt, dürften zumindest österreichische Biker die enge Verwandtschaft zum Bonus-Malus-System erkennen: Wer ohne Versicherungsschaden fährt, kommt Jahr für Jahr in eine bessere Schadenfreiheitsklasse; wer hingegen die Versicherung beansprucht, sinkt wieder ab.
Einen Unterschied gibt es hierbei allerdings zwischen deutschen PKW und Motorrädern: Bei ersteren kann man (je nach Versicherer) bis in Schadenfreiheitsklasse 45 oder 50 aufsteigen, wo bei Bikes typischerweise bei 20 Schluss ist.
Wichtig bei Saisonkennzeichen: Das System gilt grundsätzlich auch hier, allerdings nur, wenn das Bike alljährlich mindestens sechs Monate zugelassen ist.
3. Drei Zulassungsvarianten – aber nur eine ist grundsätzlich lohnenswert
Wie kann man als Privatperson in Deutschland seine brandneue Yamaha R7 oder liebevoll restaurierte BSA M22 zulassen? Abgesehen von Wechsel- und Kurzzeitkennzeichen gibt es dafür in der BRD drei prinzipielle Möglichkeiten:
Die reguläre Zulassung. Das Bike wird ganzjährig für den vollen Steuer- und Versicherungssatz zugelassen. Besteuert werden Motorräder ab 125 cm³ (und mehr als 11 kW). Es gilt ein Satz von (aktuell, 2021) 1,84 Euro pro angefangenen 25 cm³, zahlbar jährlich. Wer rechnen möchte, findet dazu ein offizielles Tool des Finanzministeriums.
Die Saisonzulassung. Das Bike wird nur für einen (zusammenhängenden) Zeitraum zugelassen, aber kürzer als ein volles Jahr. Außerhalb davon ist es automatisch abgemeldet. Die Berechnung der Steuer erfolgt wie bei der normalen Zulassung, jedoch nur anteilig für die angemeldeten Monate. Auch die Versicherung ist etwas günstiger, typischerweise läuft sie während des abgemeldeten Zeitraums nur als Ruheversicherung. Aber: Der Anmeldezeitraum muss auf dem Kennzeichen stehen, macht das Blech mitunter also etwas größer.
Die historische Zulassung („H-Kennzeichen“). Wird nur vergeben, wenn das Bike mindestens 30 Jahre alt ist und einen langen Kriterienkatalog erfüllt. Dann gilt jedoch eine Fixsteuer von 46,02 Euro ungeachtet aller anderen Kriterien und es gibt auch keine Kilometerbegrenzung – mitunter kann aber eine (deutlich günstigere) Oldtimerversicherung diese fordern. Hier muss am Ende des Kennzeichens ein H stehen (daher der Name), was ebenfalls Platz beansprucht.
Uneingeschränkt lohnenswert ist dabei nur das Saisonkennzeichen. Wirklich jeder, der zumindest in den tiefsten Wintermonaten das Motorrad nicht anfasst, sollte sich diese Ersparnis mitnehmen. Beim H-Kennzeichen kommt es jedoch auf den Hubraum an. Erst ab 600 Kubikzentimetern wird es günstiger als eine Ganzjahreszulassung – wer jedoch nur saisonal unterwegs ist, benötigt noch mehr Hubraum, damit es sich rentiert.
Noch kniffliger wird die Berechnung allerdings, weil es seit 2017 H-Saisonkennzeichen gibt, bei denen die Steuer also in Bruchteilen der H-Besteuerung berechnet wird. Hier lautet der Tipp: Taschenrechner oder Online-Tools nutzen und dabei nicht vergessen, dass mit dem „H“ auch sehr umfassende Pflegepflichten einhergehen, die sich nicht mit simplen Euro-Summen beziffern lassen.
4. Jung-Biker mit Leistungsdrossel
Wer in Österreich einen A-Schein möchte, kennt das Prozedere: den offenen A’ler kann man erst ab 24 bekommen, hat man einen A2-Schein, dann auch schon mit 22 Jahren. In jedem Fall bedeutet der A jedoch, dass es keine Limits gibt.
In Deutschland ist das etwas anders. Hier gibt es für den A ein Mindestalter von 20, wenn zuvor zwei Jahre lang ein A2 besessen wurde. Allerdings gibt es einen Passus wie bei uns: Der A2 ist auf 35 kW / 48 PS sowie maximal 0,2 kW/kg Eigengewicht limitiert (ungedrosselte Originalmodelle: 70 kW / 96 PS) und auch der (direkte) Erhalt des offenen A’lers ist an den 24. Geburtstag gekoppelt. Wer also jünger ist, muss auf jeden Fall mit reduzierter Leistung unterwegs sein.
Achtung Zugezogene: (Motorrad-)Führerscheine, die in einem EU-Land erworben wurden, sind weiterhin gültig und müssen erst nach einem etwaigen Ablauf umgeschrieben werden.
5. Keinerlei Mitführpflichten
In Österreich müssen auch Biker immer einen Verbandskasten dabeihaben. Der ist in Deutschland auch für Autofahrer Pflicht – zusätzlich zum Warndreieck und mindestens einer Warnweste. Für Zwei- und Dreiradpiloten (und unter bestimmten Voraussetzungen auch Quads/ATVs) ist es jedoch deutlich einfacher: Anzahl mitzuführender Gegenstände = Null. Wer auf dem Bike unterwegs ist, muss nur Führerschein und Fahrzeugpapiere dabeihaben – und den deutschen Personalausweis.
6. Immer mit Beleuchtung
In der BRD müssen erst PKW, die nach 2010 erstzugelassen wurden, mit Tagfahrlicht ausgestattet sein. Ältere Modelle dürfen deshalb bei guter Sicht auch ohne Beleuchtung bewegt werden. Bei Motorrädern ist es jedoch anders: Egal wie alt ein Bike ist (und in welchem Land es erstzugelassen wurde), es muss jederzeit mit Beleuchtung unterwegs sein – grundsätzlich mit Abblendlicht, wenn aber eine konforme Tagfahrbeleuchtung verbaut ist, dann alternativ mit dieser.
7. Panne = Schieben, absolut immer
Tu felix Austria! Du glückliches Österreich. Wer hier mit dem Bike eine Panne hat, einen A-Führerschein besitzt und das Motorrad noch bremsen und lenken kann, darf sich daraufsetzen und sich von einem anderen Kraftfahrzeug abschleppen lassen. Dafür ist das Schieben nur unter enggesteckten Umständen möglich – und selbst dann nur auf sehr kurzen Strecken.
In Deutschland ist es abermals anders. Hier gilt: Wenn ein Motorrad sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen kann, darf ein anderes Fahrzeug weder per Seil noch Stange nachhelfen. Das Abschleppen ist hier voll und ganz verboten. Das Einzige, was in dieser Hinsicht erlaubt ist, ist, das Bike auf einem Anhänger oder auf der Ladefläche eines PKW zu fixieren. In dem Fall wird es rein rechtlich zu einer Ladung wie jede Couch oder Einkaufstüte – und da praktisch kein Bike über 750 Kilo wiegt, sind hier auch die Führerscheinbestimmungen zum Betrieb von Anhängern unerheblich (deutsche Klasse B erlaubt Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von höchstens 750 Kilogramm, mehr erfordert einen BE-Führerschein).
Interessant sind jedoch die Unterschiede beim Schieben: Sobald ein Motorrad geschoben wird, wird sein Fahrer in Deutschland zum Fußgänger mit allen Vor- und Nachteilen. Das Motorrad gilt dann auch nicht mehr als Kraftfahrzeug in diesem Sinne. Es dürfte also beispielsweise auch in einer Fußgängerzone geschoben werden.
Eins allerdings muss immer erfüllt sein: Sobald sich irgendein zulassungspflichtiges Fahrzeug in der BRD auf eigenen Reifen im öffentlichen Verkehrsraum befindet, muss es zugelassen sein und eine gültige Hauptuntersuchung nachweisen. Sonst handelt es sich zumindest um eine Ordnungswidrigkeit und es drohen (wenngleich geringe) Bußgelder.