Aufgrund der Nova und Versicherungssteuer sind die V8 Zeiten bei den Autos zwar schon lange vorbei, aber bei den Enduros ist so eine 2Takter noch immer das Motorrad. Die Einspritzer KTMs sind zwar schadstoffärmer geworden, aber sie rauchen noch immer aus dem Enddämpfer, die Greta, oder ihre Anhänger würden garantiert einen Wutanfall bekommen, wenn ich damit bei einer ihrer Demos vorbeirauchen würde, was ich mir tatsächlich schon überlegt habe, vor allem als ich wieder einmal wegen so einer Demo lange im Stau stand.
Vorbelastet mit diesem auferlegten schlechten Gewissen und auch um meine persönliche Umweltleistungsbilanz zu verbessern, habe ich mir daher im Frühjahr ein Elektro-Enduro-Moped, also eine Sur Ron Firefly bei dmxbikes.at gekauft und gleich mit den empfehlenswerten Updates ausgestattet
Ein größeres Kettenrad (58 Zähne) soll mir helfen auch kleinere Steilhänge zu bezwingen, vernünftige Motocrossreifen den Grip gewährleisten (aufgrund der Felgendimension fährt man einen MX Vorderreifen vorne und hinten), ein höherer Lenker das stehende Fahren erleichtern, Shimano Bremsbeläge damit die Bremsen nicht so laut quietschen, andere Fußrasten für einen besseren Halt und es wurden auch durch Sebastian Bichler (dmxbikes.at) die Bremssensoren stillgelegt, denn die
Sur Ron hat alle möglichen Sensoren die den Motor abstellen, z.B. wenn sie umfällt, oder wenn man einen Backflip springt (das mache ich zwar nicht, aber der Erzbergrodeo Mastermind zeigt selbst im höheren Alter was mit einer Sur Ron machbar ist - Video auf motorradreporter.com), aber auch wenn man bremst reagieren die Sur Ron Sensoren und stoppen den Motor. Erfahrene Zweiradfahrer wissen, dass es Situationen gibt, wo man bremst und auch gleichzeitig Gas gibt und das würde dann blöd enden, wenn die Sur Ron dem Gasbefehl nicht gehorchen würde. Sebastian von dmxbikes ist ein Profi der selbst mächtig Gas gibt und einem dabei bestens unterstützt seine Sur Ron entsprechend seiner Vorlieben anzupassen.
Natürlich hat die Sur Ron in der strassenzugelassenen Version auch einen Geschwindigkeitslimiter (ca. 45km/h), denn die Sur Ron kann man als Elektro Moped für die Strasse anmelden. Versicherung kostet ca. 35.- EUR im Jahr, Diebstahlschutz kommt zusätzlich auf 100.- / Jahr (wenn man Beziehungen zum Versicherungsheinzi hat). Bewegt man die Sur Ron nur im Gelände, dann kann man diesen Limiter auch deaktivieren. Mit dem großen Kettenrad ist die Vmax dann bei ca. 64km/h, mit der originalen Übersetzung sollten etwas mehr als 70 km/h möglich sein.
Berücksichtigt man den Anschaffungspreis von ca. 4200.-, ist das im Vergleich mit einem richtigen Motorrad oder einem Fully Elektro Mountainbike gar nicht so teuer. Auch die Ersatzteile sind eher günstig, sofern diese lieferbar sind, denn auch wenn ein großer österr. Importeur (KSR) hinter Sur Ron steht, die Corona Krise hat zu einem merklichen Engpass an Ersatzteilen geführt. 2 Ersatzbremshebeln kosten 15.-, ein neuer Motor ca. 700.-, ein kompletter Radsatz ist schon ab 400.- zu haben, nur ein zweiter Akku wäre teuer und liegt preislich bei ca. 1400.-, aber diesen braucht man nicht unbedingt. Die Elektroförderung (450.-) habe ich mir auch geholt, der Weg war aber ein mühsamer….
Der erste Enduro Test mit der Sur Ron
So ausgestattet bin ich dann mit der Sur Ron knappe 700km auf allen möglichen Geländevarianten gefahren. Nagycenk Enduro, Wienerwald MTB Trails, Motocrossstrecken, Schottergruben, auf der Donauinsel, sogar versehentlich auf der Autobahn, denn die auf Google Maps gewählte Route war dann doch eingezäunt und mit einem Tor verschlossen, ein Zurück gab es nicht mehr, Shit happens (Video auf Motorradreporter Facebook).
Egal wo ich damit gefahren bin, die Leute haben sich immer für das ungewöhnliche Gefährt interessiert und mich angesprochen. Selbst Wanderer, Hundegassigeher, oder weltoffene MTB Fahrer haben freundlich zurück gegrüßt, wenn man sich irgendwo abseits der Straße begegnete.
Elektro kann schon was… man fällt einfach nicht negativ auf, weil der Geräuschpegel sehr niedrig ist und die Sur Ron mehr wie ein MTB Fahrrad aussieht, als wie eine Enduro, auch wenn man im Wald (nicht legal) fährt. Ich bin mit der Sur Ron auf Wegen gefahren, wo man mich mit einer 300er KTM wahrscheinlich sofort vom Bock schießen würde plus Verfolgung per Hubschrauber des Innenministeriums (mit Greta im Cockpit), aber mit der Sur Ron war immer alles gut.
Mit einer Nennleistung von knapp 3 PS und einer Spitzenleistung von bis zu 7PS ist man zwar nicht übermotorisiert, aber aufgrund des geringen Gewichtes (47kg ohne Akku) kann man damit ganz nett durch den Wald oder die Schottergruben cruisen. In Nagycenk ist alles fahrbar, tlw. kann man die langsamen KTM und Husky Fahrer ganz schon vor sich her scheuchen, vor Allem dann, wenn es enge Wege mit vielen Richtungswechseln gibt.
Die Reichweite liegt zw. 30 und 60km, wobei die 30km auf Motocrossstrecken aufgrund des permanenten Vollgasanteils klar zeigen, dass die Sur Ron dort nicht hingehört. Dafür ist sie einfach zu schwach und tlw. zu filigran gebaut. Da bricht dann auch schon die Schraube der Federbeinaufnahme am Rahmen. Garantie oder Sachmangel Fehlanzeige, der Importeur KSR glänzt hier nicht mit Kundenzufriedenheit! Selbst im Winter, bei kälteren Temperaturen, hält der Akku erstaunlich gut durch und zeigt keine Schwächen, im Vergleich zur Freeride E-XC.
Die KTM Freeride E-XC
Und dann wurde mir von Karl Katoch und dem Erzbergrodeo die KTM Freeride E-XC Modell 2020 zur Verfügung gestellt. Viel mehr Leistung, viel schwerer, eine viel höhere Sitzhöhe, ein viel besseres Fahrwerk, quasi ein „richtiges“ Enduro-Motorrad.
Ich war begeistert, die KTM kann einfach alles im Offroadbereich besser, bis mir der Akku nach 16km mitteilte, dass er jetzt leer ist. Gut dachte ich, ich bin alles in Stufe 3 (die höchste Stufe mit der
größten Leistung) gefahren, also nicht Akkuschonend und da kann schon sein, dass die Reichweite doch geringer ist.
Also fuhr ich beim nächsten Mal nur mehr in der Stufe 2, bei jeder „Rauchpause“ oder Sturz eines Kollegen schaltete ich die Freeride sofort ab. Sinnloses Beschleunigen auf kurzen Verbindungsgeraden unterließ ich, denn Akku sparen ist bei der Elektromobilität angesagt. Ich versuchte zu „gleiten“ wo immer es möglich war.
Ich war dann sehr überrascht, als sich trotz all dieser Maßnahmen die Reichweite nicht nennenswert vergrößerte. 17,5km schaffte ich bei dieser Fahrweise, als es kälter wurde und ich mehr Steilhänge fuhr war wieder bei 16km Schluss. Ist es zu kalt, dann schaltet der Akku sofort in einen Schutzmodus.
Enttäuschend, denn trotz persönlichem Übergewicht und mangelnder Kondition hatte ich noch genug Saft im Ärmel, die Freeride aber keinen mehr im Akku. Ich musste mir bei einer Ausfahrt in die Schottergrube die Runde schon im Vorfeld gedanklich einteilen, denn kurz bevor der Akku endgültig leer ist, schaltet die Freeride in einen Schutzmodus und dann rollt sie nur mehr langsam die letzten Kilometer, bevor schieben angesagt ist, untermalt mit Discobeleuchtung des Akkudisplays.
Im direkten Vergleich auf einer kleinen Motorcrossstrecke hat man mit der KTM nur ca. 1/3 der Reichweite der Sur Ron!! Dafür kostet die KTM das 3fache der Sur Ron. Die KTM ist aber bei den Rundenzeiten wesentlich schneller.
Das fand ich Schade, denn die KTM Freeride hat mich sonst absolut überzeugt. Die Qualität ist gegenüber der Sur Ron merkbar besser, hochwertig! Die fehlende Kupplung und die Hinterradbremse am linken Hebel ist eine Umgewöhnung die in kurzer Zeit geistig schaffbar ist und es gab nur eine Situation in der mir die Kupplung tatsächlich fehlte, nämlich als ich nach vorangegangenen 3 tägigen Dauerregen bei einer Steilauffahrt hängen blieb. Dann ist es schwer am Steilhang oder bei rutschigem Untergrund das schöne Drehmoment so zu dosieren, dass der Trail-artige Reifen der Freeride weiterhin einen Vortrieb schafft und nicht gleich am Stand durchdreht. Bessere Reifen könnten auch Abhilfe schaffen, oder eben nicht am Hang hängenbleiben.
Die Hinterradbremse als Hebel fand ich vorteilhafter, weil ich dadurch bei langen Steilabfahrten besser dosieren kann und zwar so, dass mich das Heck nicht überholt und ich nicht zu schnell werde, wenn ich die Bremse leicht lösen muss falls mich doch einmal das Heck überholt.
Am besten fand ich das großartige Drehmoment, was mir ermöglichte quasi direkt vor dem Steilhang stehend, ohne Schwung, diesen einfach zu bezwingen. Die Freeride zieht unbeirrt nach oben, keine Gangwechsel, keine Leistungsdosierung mittels der Kupplung notwendig, das Gewicht des Akkus hält das Vorderrad am Boden, wirklich sehr leiwand und einfach zu fahren.
Der Vergleich Sur Ron vs KTM Freeride E-XC
Der direkte Vergleich beider Fahrzeuge bestätigt also das kein Vergleich zulässig wäre, denn die KTM Freeride E-XC ist ein „richtiges“ Enduromotorrad mit einem akzeptablen Fahrwerk und wenig Einschränkungen im Geländeeinsatz, außer der doch bescheidenen Reichweite, während die Sur Ron Firefly / Lightbee eher ein Elektro Mountainbike ohne Pedale ist, mit guter Akkureichweite, und wesentlich mehr Einschränkungen im Geländeeinsatz, weil zu wenig Leistung für lange Steilhänge (man muss den Schwung für die Auffahrt schon im Flachstück aufbauen), ein Fahrwerk das rasch an seine Grenzen kommt, vor allem die Gabel ist sehr bescheiden und durch den kurzen Heckkotflügel ist man dem Gatsch hilflos ausgeliefert.
Die Sur Ron ist aber leiser als die Freeride und natürlich weniger auffällig und daher für Waldwege besser geeignet. Selbst Biketrails sind damit wunderbar fahrbar und man erspart sich das Anstellen für die Auffahrt mit dem Bus oder der Gondel, weil man einfach mit dem Motor wieder hochfährt und das macht tlw. sogar mehr Spass als die Abfahrt. Die legalen Möglichkeiten dafür sind aber noch sehr überschaubar.
Mein Fazit
Beide Fahrzeuge haben ihre Existenzberechtigung. Wäre ich Landwirt und hätte größere Freiflächen, dann würde ich mir sofort die KTM Freeride E-XC kaufen und mir vor dem Haus meine private Motocrossstrecke bauen. Als Stadtjunge wird mein Augenmerk mehr auf die Sur Ron gerichtet sein, weil ich mit dieser einen größeren Einsatzbereich hätte.
Als Lottogewinner, oder durch Freunderlwirtschaft bzw. Korruption Vermögender würde ich mir sofort beide Geräte anschaffen, aber dann hätte ich ja neben einer Villa in Döbling auch einen Landsitz mit genug Freifläche. Die Reichweitenschwäche der KTM wäre dann auch kein Thema, weil ich mir gleich 2 Zusatz Akkus dazu bestellen würde.
Bis wir eine richtige Elektro-Enduro mit vergleichbarer Reichweite (also einer Tankfüllung) eines Benzin-Motorrads fahren werden, wird vermutlich doch noch einiges an Wasser die Donau hinabfließen.
Aber Elektro macht Spass, dass ist fix und nicht unwichtig!