1946 rollte die erste „Wespe“ aus der Rollerschmiede im italienischen Pontedera. Seitdem hat kaum ein anderes Fahrzeug derart Geschichte geschrieben und das italienische „Dolce Vita“ maßgeblicher verkörpert wie die Vespa. Tradition und Innovation werden auf einzigartige Weise miteinander verbunden und begeistern weltweit Rollerfans.
Anlässlich des 70-Jahre-Jubiläums gibt es ab Mai 2016 auch die Vespa „PX“, „GTS“ und „Primavera“ in der Sonderedition „Settantesimo“.
Seit 70 Jahren bewegt Vespa (ital. für „Wespe“) – die bekannteste und prestigeträchtigste Marke der Piaggio-Gruppe – ganze Generationen. Bis heute steht sie für das italienische „Dolce Vita“. Durch die Verbindung von unvergänglichem Design mit individueller Mobilität ist das
Interesse an den Kultrollern und die Lust am genussvollen Fahren ungebrochen, die „Vespisti“-Gemeinde wächst stetig: So eroberten alleine in den letzten 10 Jahren rund 1,5 Millionen neue Vespas die Straßen weltweit.
Die Zeit vor Vespa
Gegründet 1884 von Rinaldo Piaggio in Genua, konzentrierte sich das Unternehmen Piaggio anfangs auf die Ausstattung von Luxusschiffen. Noch vor dem 1. Weltkrieg ging Piaggio zur Herstellung von Eisenbahnwaggons, Lieferwagen, Luxusbussen, Motoren, Straßenbahnen und speziellen Lastwagenkarosserien über. Zu Beginn des 1. Weltkriegs begann das Unternehmen dann mit der Fertigung von Flugzeugen und Wasserflugzeugen. 1917 kaufte Piaggio ein neues Werk in Pisa und übernahm vier Jahre später eine kleine Fabrik im italienischen Pontedera, die anfangs das Zentrum für die luftfahrttechnische Produktion war. Vor und auch während des 2. Weltkrieges gehörte Piaggio zu den führenden Flugzeugherstellern Italiens. Als bedeutende militärische Angriffsziele der Alliierten wurden die Fabriken in Genua, Finale Ligure und Pontedera während dem Krieg zerstört.
Die Vespa-Erfindung im Jahr 1946
Nach dem 2. Weltkrieg nahmen die Söhne von Rinaldo Piaggio, Enrico und Armando, den Wiederaufbau der industriellen Produktion auf. Nunmehr verantwortlich für das zerstörte Werk in Pontedera, entschied sich Enrico Piaggio, den Fokus auf die individuelle Mobilität der Italiener in der Nachkriegszeit zu legen. Seiner Intuition nachgehend baute er – gemeinsam mit dem Luftfahrtingenieur und Erfinder Corradino D’Ascanio (1891-1981) – ein Fahrzeug, welches dank der außergewöhnlichen Designarbeit weltberühmt werden sollte.
„Es sieht wie eine Wespe aus!“
Gegen Ende des Krieges zog Enrico Piaggio jede Möglichkeit in Betracht, um die Produktion in seinem Betrieb wieder aufzunehmen. So kam es, dass er fest entschlossen war, ein erschwingliches Produkt für den Massenmarkt herzustellen – das Ergebnis war die Vespa. Auf der Grundlage eines Kleinmotorrades für Fallschirmjäger stellte er einen Motorroller her, der als „MP 5“ bekannt wurde und aufgrund seiner neuartigen Form „Paperino“ (ital. für „Donald Duck“) genannt wurde. Da Enrico Piaggio mit dem Paperino nicht zufrieden war, überarbeitete Corradino D’Ascanio, der noch nie zuvor Motorräder konstruiert hatte, das Konzept.
Er zeichnete einen Entwurf, der absolut nichts mit existierenden Zweirädern gemeinsam hatte und einen revolutionären Konstruktionszugang verfolgte. Unterstützt von seinem Lieblingsdesigner Mario D’Este benötigte Corradino D’Ascanio für die ersten Skizzen der Vespa, die im April 1946 in Pontedera erstmals das Werk verließ, lediglich ein paar Tage. Getauft wurde es von Enrico Piaggio selbst, der beim Anblick des Prototyps MP 6 mit seinen Rundungen und der schmalen Taille ausrief: „Es sieht wie eine Wespe aus!“. Die Vespa war geboren.
Bereits am 23. April 1946 meldete Piaggio & C. S.p.A. beim Zentralpatentamt für Erfindungen, Entwürfe und Warenzeichen des Ministeriums für Industrie und Handel in Florenz ein „Motorrad mit einem rationalen Verbund aus Funktionseinheiten und Elementen sowie einer Karosserie mit Kotflügeln und einer Abdeckung sämtlicher mechanischer Teile“ zum Patent an. Die anschließende Präsentation in der Öffentlichkeit rief gemischte Reaktionen hervor – dennoch ließ Enrico Piaggio 2.000 Stück der ersten Vespa (98 ccm Hubraum) produzieren. Verkauft wurde eine „Normalausführung“ um 50.000 Lire und eine „Luxusversion“ um 61.000 Lire mit ein paar Extras wie Tachometer, einem Seitenständer und eleganten Weißwandreifen.
Ende 1947 kam es zu einer explosionsartigen Steigerung der Produktion. Im darauffolgenden Jahr kam die Vespa „125“ heraus, ein größeres Modell, das sich rasch als Nachfolger der ersten Vespa „98“ etablierte. Der Produktionsausstoß wuchs stetig: Wurden 1946 noch 2.484 Roller produziert, waren es im Jahr darauf schon 10.535. Die Vespa-Fertigung steigerte sich 1948 bereits auf 19.822 Stück.
Auch auf den ausländischen Märkten wurde man auf den Roller aufmerksam – sowohl die Öffentlichkeit als auch die Presse bekundeten Neugier und Bewunderung. Die Times nannte den Roller ein „vollkommen italienisches Produkt, wie wir es seit dem römischen Streitwagen nicht mehr gesehen haben“.
Die Vespa erobert die Welt
Enrico Piaggio arbeitete stetig an der Verbreitung der Vespa im Ausland und schuf ein ausgedehntes Werkstättennetz, das bereits 1953 über zehntausend Piaggio-Servicestellen auf der ganzen Welt, auch in Amerika und Asien, umfasste.
Auch die Produktion im Ausland wurde bereits 1950 gestartet. Nur zwei Jahre nach ihrem Debüt wurde die Vespa vom ersten deutschen Lizenznehmer, den Hoffmann-Werken in Lintorf, hergestellt und die Stückzahl der Produktion stieg auf 60.000 Fahrzeuge an. Im darauffolgenden Jahr nahmen Lizenznehmer in Großbritannien (Douglas in Bristol) und Frankreich (ACMA in Paris) die Vespa-Produktion auf. 1953 begann die Fertigung bei Moto Vespa in Madrid in Spanien (heute Piaggio España), unmittelbar darauf gefolgt von Belgien (Jette bei Brüssel). Auch in Indien und Brasilien schossen Fabriken aus dem Boden. Bald wurde die Vespa in 13 Ländern hergestellt und in 114 vertrieben – darunter auch Australien, Südafrika (wo man sie als „Bromponie” oder „Moorpony" kannte), der Iran und China. 1953 verließen bereits 171.200 Roller die Werke.
Schon früh begann Piaggio seine Produktpalette auf den Leichttransportsektor auszudehnen.
1948, kurz nach der Geburt der Vespa, lief die Produktion des dreirädrigen Kastenwagens „Ape“ (ital. für „Biene“) an. Abgeleitet vom Konzept des Rollers, war auch dieses Fahrzeug aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sofort ein Erfolg. 1948 folgte dann die Vespa „125“, die erste Vespa mit 125 ccm und Stoßdämpfern hinten. Die Vespa „125“ aus dem Jahre 1953 zeigte dann eine bedeutende Abwandlung des Motors, die Höchstleistung stieg auf 75km/h. Mit der „Utility“-Version der Vespa „125 U“ kam eine kostensparende Version der 125er auf den Markt.
Im Laufe der Zeit erschienen zahlreiche phantasievolle Versionen der Vespa, von denen einige auch von Piaggio selbst stammten, die jedoch hauptsächlich von Liebhabern gekauft wurden. Die französische Armee ließ sich etwa einige Vespa-Spezialanfertigungen bauen, darunter auch Modelle, mit denen Fallschirmjäger aus einem Flugzeug abspringen konnten.
Um das Interesse der Öffentlichkeit an Piaggio und der Marke Vespa nachhaltig zu sichern, etablierte Enrico Piaggio neben den weltweiten Serviceeinrichtungen auch einen Vespa-Club. Dessen Mitgliederzahl belief sich in den 1950ern bereits auf 50.000, 1951 kamen nicht weniger als 20.000 Vespa-Fans zum italienischen „Vespa-Day".
Vespa auf Erfolgskurs
Obwohl auch die Konkurrenz, darunter der Hersteller Innocenti mit dem Motorroller „Lambretta“, begann die Branche aufzumischen, blieb die Vespa weiter auf ungebremstem Erfolgskurs: Von 1946 bis 1965, dem Sterbejahr von Enrico Piaggio, wurden alleine in Italien 3.350.000 Stück hergestellt – das entspricht einer Vespa pro fünfzig Einwohner. 1970 wurde die Vier-Millionen-Grenze überschritten, 1988 waren bereits 10 Millionen erreicht. Bis heute wurden rund 18 Millionen Vespas ausgeliefert.
Auszug der Vespa Modelle ab 1963
Mitte der 60er-Jahre kam eine neue Generation sportlicher Vespas auf den europäischen Markt. Darunter die Vespa „150 GL“ und die „leichte“ Vespa „50“. Letztere 1963 als Ergänzung zur bestehenden Piaggio-Palette entwickelt und war sofort ein durchschlagender Erfolg – vor allem weil zu dieser Zeit ein Gesetz erlassen wurde, welches die Nummerntafelpflicht für Zweiräder über 50 ccm vorsah. Die Vespa „50“ war das letzte Vespa-Design von Corradino D’Ascanios. Bis heute wurden bereits über 3,5 Millionen Stück der Vespa „50“ in unterschiedlichen Modellen und Versionen gebaut.
Die Vespa „180 SS“ (1965) war mit 181,14 ccm ein Meilenstein in der Entwicklung des Motors, sie erreichte eine Geschwindigkeit von 105 km/h und trat an die Stelle der „GS 150/160“. Mit einer neuen Vespa-Version „125“ 1966 zeigte Piaggio Innovation im Bereich des Designs, des Rahmens, der Aufhängung und des 45° geneigten Motors. Abgeleitet von diesem Modell entstand 1966 die Sonderserie Vespa „Super Sprint 90“ mit einer stromlinienförmigen Verkleidung. Mit der Vespa „Primavera“, die im Jahr 1968 entwickelt wurde, war eines der langlebigsten Vespa-Modelle geboren. 1976 wurde sie mit dem Modell Vespa „125 Primavera ET3“ neu aufgelegt und war dank Entwicklung des Motors leistungsfähiger – ersetzt wurde dieses Modell 1983 durch die Vespa „PK 125“.
1977 kam die erste Vespa „PX 50“ auf den Markt, der Start einer weiteren Erfolgsgeschichte. 2001 und 2011 wurde dieses Modell komplett neu überarbeitet und ist heute in einer 125 ccm- und 150 ccm-Ausführung erhältlich. Die Vespa „ET 4 50“, die 2000 die Straßen eroberte und 2005 durch die Vespa „LX“ ersetzt wurde, war die erste Vespa, die durch einen Viertaktmotor angetrieben wurde. 1996 wurden die Serien der „ET4“ und „ET2“ kreiert.
Mit der Markteinführung der Modelle „Granturismo 200L“ und „125L“ im Jahr 2003 erreichte die Vespa eine noch nie dagewesene Größe und Leistung. 2005 wurde die Palette durch die Vespa „LX“ (10,125, 150 ccm), die die Vespa „ET“ ersetzte, ergänzt.
Zeitgleich übernahm – 50 Jahre nach Markteinführung der legendären Vespa „GS Gran Sport“ – die Vespa „GTS 250 i.e.“ (ausgestattet mit einem leistungsstarken 250 ccm flüssigkeitsgekühlten 4-Ventil-Motor mit elektronischer Einspritzung), die Stellung als schnellste und leistungsfähigste Vespa aller Zeiten.
Anlässlich des 60. Jahrestages wurden 2006 drei neue Modelle vorgestellt (Vespa „GTV“, „LXV“ und „GT 60°“), die den Originallook der Vespa neu interpretierten. Das Jahr 2007 war geprägt durch die Vespa „S“, eine elegante Interpretation der 70er-Jahr-Modelle und Erbin der legendären „50 Special“ und „125 Primavera“.
Das Piaggio-Portfolio wurde 2008 mit der „GTS 300 Super“ erweitert, die leistungsstärkste Vespa mit dem größten je gebauten Motor. Eine Motoreninnovation der LX/S-Serie im Jahr 2012 unterstrich einmal mehr die Expertise der Piaggio-Gruppe: ein brandneuer Einzylinder 125/150 mit 3 Ventilen und elektronischer Einspritzung – direkt aus der Produktionsstätte in Pontedera – definierte neue Standards mit 30 Prozent verringerten Emissionswerten und einem Treibstoffverbrauch von nur einem Liter bei einer Distanz von 55 km.
Die Vespa der Zukunft wurde mit der Vespa „946“ entworfen: Bei der EICMA 2012 in Mailand vorgestellt, ist dieses Modell eine Hommage an den Prototypen „MP 6“ und Inbegriff italienischen Stils und Kreativität. Tradition und Innovation vereinen sich auf eindrucksvolle Weise, die meisterhafte Konstruktion und der Einsatz hochwertiger Materialien unterscheidet die „946“ von allen anderen Zweirädern. 2015 machte dann die Jubiläumsversion „Vespa 946 Emporio Armani“ Furore, die anlässlich des 130-jährigen Piaggio Jubiläums sowie des 40. Jahrestages des italienischen Modelabels Emporio Armani entworfen wurde.
2013 eroberte die jugendliche und innovative Vespa „Primavera“ den Markt. Sie wird von modernen und umweltfreundlichen Motoren (in den Stärken 50 2T, 50 4T, 123 3V) angetrieben. 2014 war, mit Wiedereinführung der Vespa „Sprint“, durch die Rückkehr einer weiteren Legende geprägt. Im selben Jahr kommen auch die Vespa „GTS“ und „GTS Super“, in den Stärken 125 und 300 ccm, auf den Markt. Beide Modelle sind mit einer ASR-Traktionskontrolle und einem ABS-Bremssystem sowie innovativen elektronischen Systemen für die aktive Sicherheit ausgestattet.
Die Vespa und das Kino
Stylisch und unverwechselbar, die Vespa ist aus Filmen nicht mehr wegzudenken. Audrey Hepburn und Gregory Peck machten es vor und wurden in „Ein Herz und eine Krone“ 1953 auf einer Vespa abgelichtet. In zahlreiche Streifen – darunter „Quadrophenia“, „American Graffiti“, „Der talentierte Mr. Ripley“ und „Dear Diary“ oder jüngere Produktionen wie „Alfie“ mit Jude Law und „Transformers“ – versprühte die Vespa italienisches Lebensgefühl. Auch bei Fotoshootings mit berühmten Persönlichkeiten wie Charlton Heston, Milla Jovovich, Sting, Matt Damon, Nicole Kidman und vielen weiteren punktete der Kultroller als „Reisebegleiter“.
Mit der Vespa um die Welt – Rekorde, Rennsport und Langstreckenfahrten
Auch im Rennsport konnte die Vespa einige Erfolge aufweisen. Bereits in den 50er-Jahren nahm sie häufig sowohl bei normalen Motorradrennen als auch bei eher ungewöhnlichen sportlichen Veranstaltungen teil: So erreichte zum Beispiel der italienische Student Giancarlo Tironi auf seiner Vespa den Polarkreis und der Australier Geoff Dean unternahm mit der Vespa gleich eine vollständige Reise um die Welt. 1992 machte sich der Autor und Journalist Giorgio Bettinelli auf seiner Vespa auf den Weg von Rom nach Saigon. Tausende Kilometer sollten noch folgen: 1997 brach er von Chile aus auf und durchquerte mit seiner Vespa 90 Länder auf seiner Reise nach Tasmanien. Insgesamt hat Bettinelli 250.000 km auf einer Vespa zurückgelegt.