Der Lamborghini Urus unter den Zweirädern – die DUCATI MULTISTRADA V4S

Ducati Austria hat uns zur Vorstellung des 2025er Modells der Ducati Multistrada nach Italien eingeladen, und zwar nach Gubbio, in Umbrien, eingebettet zwischen der Toscana und Latium, und dieser Ort wird auch ein Ausgangspunkt für die neuen Ducati Adventure Tours sein.

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Im Regen

Hier ist Italien noch so wie Italien sein sollte. Die Taxifahrer im modischen Anzug mit Mafiasonnenbrille, eine hügelige Landschaft mit wunderschönen alten italienischen Villen, kurvenreiche Bergstrassen und Autofahrer, die rechts stehenbleiben, damit sie die Horde an Multistradas nicht blockieren und alle schnell überholen können.

Nur das Wetter hat nicht mitgespielt, denn es hat bis auf eine Stunde den ganzen Tag geregnet und nein, es war kein leichter Spätsommerregen, sondern es hat so richtig geschüttet.

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DUCATI MULTISTRADA V4S

Aber da Ducati eine Firma von Motorradfahrern für Motorradfahrer ist, hat das keine Änderung im Zeitplan oder der Streckenführung bedeutet. Unsere Guides waren vielmalige Motorrad-Rallystaatsmeister, und Dakar Teilnehmer. Ebenfalls vor Ort waren jene Ducati Mitarbeiter, die das Motorrad entwickelt und tlw. auch selbst getestet haben.

Die Kollisionswarnung und das adaptive Cruise Control wurden nach dem Grundsetup auf einer Teststrecke dann in den Kreisverkehren von Lecce getestet und nochmals schwer adaptiert. Selbst der Vice President of Globals Sales kam spontan zu Besuch und ist die Tour mitgefahren, trotz der schlechten Wettervorhersage. Rispetto!

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die iatlienische Runde

Die Testfahrt

Unser Guide (der Dakar Teilnehmer) empfahl uns gleich im Modus TOURING (170PS) zu fahren, wer braucht schon WET, wenn das Motorrad auf so einem hohen Niveau ist, dass ich im strömenden Regen mit 170PS trotzdem in den Begrenzer fahre und nie das Gefühl einer Unsicherheit hatte. Unglaublich welches Vertrauen ich in dieses Motorrad nach wenigen Fahrkilometern aufbauen konnte, trotz widrigster Umstände bedingt durch das Wetter. 

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Enduro Modus

Das Tempo war demnach forsch und wir fuhren neben kurvenreichen Bergstrassen auch einen Offroadabschnitt im neuen Enduro Modus der Ducati Multistrada V4S. Trotz Einteilung einer fixen Reihenfolge, Motorradreporter war Bike Nr. 6, beendeten wir den Offroadabschnitt als Bike Nr. 2, denn manche Kollegen waren Offroad-avers und überraschenderweise gab es nur einen kleineren Umfaller, den die Multistrada locker wegsteckte.

Während der geführten Onroad-Tour ist mir noch etwas klischeehaftes für Italien aufgefallen. Die meisten Verkehrsschilder wurden zu klein produziert, denn auf den Schildern fehlte oft die erste Zahl der Geschwindigkeitsbegrenzung. Man sah nur 40 am Schild, aber wir sind 140 gefahren. Typisch Mittelitalien eben.

Bei einem kurzen Verbindungsstück auf einer Landstraße testete ich gleich den adaptiven Tempomat und er hat mich überzeugt. Ist schon eine bequeme Art eine fade Verbindungsetappe zu überbrücken. Man kann sich so auch die Regenpanier anlegen, ohne stehenzubleiben. Auch der vordere Motorradfahrer wurde immer gut erkannt und die Ducati Multistrada reduziert das Tempo automatisch. Der Abstand zum Vordermann ist einstellbar.

Die Kollisionswarnung hat mich jedoch etwas gestört. Denn wenn der Vordermann viel zu früh die Kurve anbremste und ich nur näher ran rollte, kam sofort die Warnung in Form einer Einblendung in Rot im großen Bildschirm, vulgo Dashboard.

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Integralbremssystem

Anders als bei der BMW hat mich das Integralbremssystem nicht gestört, da sich der Druckpunkt am Hebel nicht änderte, wenn man hinten mitbremst. Fairerweise muss man dazu sagen, dass bei stehendem Wasser auf der Strasse der Anker nicht im selben Ausmaß geworfen wurde, wie bei trockenen Bedingungen.

Die neue Nebelschlussleuchte, die in der Rückleuchte integriert ist, war in höheren Lagen der Bergstrasse sehr hilfreich, weil die Sichtweite doch sehr gering war und die normalen Rückleuchten in dem Wolkennebel fast nicht sichtbar waren. Und ich dachte noch bei der Vorstellung am Abend davor, „was für ein sinnloses Gimmick“, so kann man sich irren.

Das Herzstück, der V4 Motor

hat mich so richtig begeistert. Im oberen Drehzahldrittel fahrend schiebt das Ding richtig an, aber ohne dass man Angst bekommt, da der Gasgriffbefehl in eine gut handhabbare lineare Leistungsentfaltung umgesetzt wird. Ducati hat auch ein hervorragendes Soundengineering mit dem Akrapovic Auspuff geschafft. Am Motorrad fahrend brüllt der V4 trotz aktueller Lärmemissionvorgaben wie ein Löwe, fährt man jedoch hinter der Multistrada hört man davon nicht viel. Also, man hört als Fahrer den Motor brüllen, ohne die Anrainer des 2km entfernten Orts zu nerven. Bravissimo Ducati!

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lineare Leistungsentfaltung

Natürlich fängt auch ein moderner V4 im fünften Gang bei Schritttempo etwas zu ruckeln an. Ein deutschsprachiger Kollege hat das als Negativpunkt aufgelistet, aber wir sind ja von Motorradreporter und fahren so und so nicht im fünften oder sechsten Gang 15 km/h und deshalb ist uns sowas egal. Auch die Zylinderabschaltung bei niedrigen Drehzahlen bzw. Geschwindigkeiten stammen aus Forderungen von Motorradjournalisten und Kunden. Damit spart man dann 0,xx L Benzin. Ehrlich gesagt ist mir persönlich egal, ob das Motorrad 6,3 oder 6,7 L / 100km bei scharfer Fahrweise benötigt. Wenn ich Benzinsparen will, dann kaufe ich mir eben keinen 170PS Tourer.

Das elektronische Fahrwerk

ist für meine fahrerischen Qualitäten perfekt. Bei niedrigen Geschwindigkeiten senkt sich die Multistrada ab, um auch kleineren Fahrern einen guten Stand zu ermöglichen. Hat Ducati super gelöst, weil ich das Absenken nicht negativ wahrgenommen habe. Auch Schweller oder Löcher haben jetzt elektronisch gesteuert einen Einfluss auf das Verhalten des Federbeins. Ist maximal ein nice to have, weil beim Testen habe ich das jetzt nicht als essenzielles Feature wahrgenommen.

Durch eine Positionsadaptierung der Anbindung der Schwinge am Rahmen, sowie durch neue leichtere Felgen wurde die Agilität und Wendigkeit erhöht. Ich empfand die BMW GS1300 trotzdem wendiger.

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Bei niedrigen Geschwindigkeiten senkt sich die Multistrada ab

Sitzposition und Bedienelemente

Als Kleingewachsener mit 175cm hatte ich keine Beanstandungen, ich fühlte mich gut in die Multistrada integriert. Die automatische Absenkung vor dem Stehenbleiben nimmt man aktiv gar nicht so wirklich war, hat dafür aber immer einen guten Stand. Lediglich beim Sitz bin ich schon bequemere Konkurrenzprodukte gefahren.

Dafür sind ist die Bedienung und die Bedienelemente funktionell und intuitiv gestaltet. Alles ist mehr oder weniger selbsterklärend aufgebaut, nur wie ich die neue Nebelschlussleuchte aktiviere, blieb mir ein Rätsel. Die Heizgriffe haben 5 Stufen, wobei schon bei Stufe 2 die Hände gut gegrillt wurden.

Für die Sozia wurde auf der hinteren Sitzposition, gepaart mit den erhältlichen Koffersystemen, mehr Platz geschaffen. Um das in der Praxis zu testen, hat Ducati extra in unsere Testrunde einen Zeitabschnitt für den Soziustest reserviert. Ich dachte zuerst eine von den feschen Ducati Hostessen fährt dann mit mir eine Runde, aber dann erfuhr ich, dass ich mit einem Journalistenkollegen abwechselnd die neue bequeme hintere Sitzposition testen kann, weshalb ich dann verzichtete, denn es gab für mich nur 2 Optionen. Entweder ich fahre mit jenen Kollegen mit, der schon 2km vor der Kurve bremste und trotzdem Probleme hatte im Kurvenscheitel auf seiner Spur zu bleiben, oder mit dem polnischen Rennfahrer, wo ich mir sicher einen Rallystreifen in der Unterflak eingefangen hätte.

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Regen in Italien

Die Konkurrenz

Die ganzen Japaner, die tlw. um 1/3 unterhalb des Verkaufspreises liegen, lasse ich einmal beiseite, denn ein Mazda CX-60 ist ja auch nicht mit einem Lamborghini Urus vergleichbar. Bleiben nur KTM und BMW als direkte Konkurrenten. Die KTM bin ich noch nicht gefahren, aber lt. Kollegen vor Ort dürfte sie die größte Konkurrenz für die Ducati sein, wenn man „aktiv und forsch“ Motorrad fährt. Ich persönlich sehe die BMW S1000XR als größere Konkurrenz an, sofern man nicht im Gelände unterwegs sein möchte.

Wirtschaftlich ist jedoch die BMW GS die wahre Konkurrenz für die Ducati Multistrada. In den einzelnen Ländern gibt es klare Kennzahlen, die von Ducati verfolgt werden und Zielsetzungen vorgeben. In manchen Ländern ist das Verhältnis 1:4 in anderen 1:6, was so viel heißt wie: auf eine Ducati Multistrada werden vier BMW GS verkauft. Letztes Jahr wurden weltweit ca. 11.000 Multistrada verkauft. Klingt am ersten Blick nicht viel, wenn man aber als Milchmädchenrechnung einen durchschnittlichen Umsatz von 25.000.- EUR pro Multistrada annimmt, so bringt dieses Motorrad dem Ducati Konzern einen Umsatz von ca. 275 Mio.!

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Ducati Line Up

Anmerkung für potentielle Hater: Umsatz ist nicht gleich Gewinn!!

Deshalb ist die Multistrada ein ganz wichtiges Motorrad für Ducati und da werden keine Abstriche gemacht, auch nicht, wenn es einmal einen Garantiefall geben sollte, wobei die Zeiten „italienischer Qualität“ bei Ducati schon länger vorbei sind und „Premium“ der Standard bei der Multistrada ist. Da werden dann auch keine Kunstoffschalthebeln, wie bei der dt. Konkurrenz, verbaut, die bei einem Umfaller einfach mal abbrechen.

Multistrada bedeutet übersetzt Mehrweg und soll einen Motorradtyp beschreiben, das für unterschiedliche Anwendungsfälle (Strasse, Touren, Gelände) ausgelegt ist. Um für jeden persönlichen Anwendungsfall das optimale Gerät dem Kunden zur Verfügung zu stellen, hat Ducati einfach „Multi“-Multistradas geschaffen, damit der Kunde aus 5 Modelltypen die richtige Multistrada für seinen persönlichen Einsatzzweck auswählen kann.

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Strasse, Touren, Gelände

Fazit:

Mein persönliches Highlight war der Motor (vor allem wenn man sportlicher fährt) und das unglaubliche Vertrauen, das man mit diesem Motorrad bei schwierigen Verhältnissen aufbaut. Ich bin noch nie so „sportlich“ im Regen, mit tlw. stehendem Wasser, eine Tour auf Bergstrassen gefahren und hatte trotzdem nie ein „Oops-Erlebnis“. Würde ich ein Tourenmotorrad mit leichter Geländetauglichkeit benötigen, die Ducati wäre definitiv in meiner ganz engen Auswahl.

Grazie Ducati per questa bellissima moto!

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