Motorrad auf Stelzen, die BMW M 1000 XR

Das heurige Testjahr mit BMW startet mit einer M 1000 XR. Als ich von bmw-motorrad.at die Info zum Ausfassen des Motorrads bekam, sah ich nur M und 1000 und war schon einmal befriedigt. Wie immer erfolgt die Übergabe bei den Experten von BMW Wien Heiligenstadt, dort findet man auch alle gängigen Modelle im Schauraum. 

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Im Schauraum

Der Reihenvierzylinder mit ausreichend Leistung (bei der XR sind es 201PS) braucht zwar Drehzahl, hat mich aber schon letztes Jahr bei der S1000RR begeistert. Als ich dann bei der Abholung vor der M XR stand, sah ich ein Motorrad auf Stelzen. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich zum Aufsteigen ein Stockerl benötige und ob ich mit beiden Füßen überhaupt den Boden erreiche (175cm ist eben kleinwüchsig heutzutage). Die Sitzhöhen sind je nach Sitzoption (niedrig/hoch) zwischen 820mm und 870mm. Keine Ahnung welchen Sitz ich hatte, aber es ging sich mit den Füßen aus.

Aber was ist das für ein Motorradtyp, Cross Over, was ist das?

Ein Tourer, oder ein Rennstreckengerät auf Stelzen? Ein Cruiser ist es definitiv nicht, oder doch?

Man sitzt tief eingebettet hinter einem großen Tank, der mit den Winglets noch größer wirkt, mit hoher Lenkerposition, leicht nach vorne gespannt, aber doch mehr aufrecht als gebeugt. Ich korrigiere, man sitzt nicht, man thront auf diesem Motorrad. Vorne ist ein kleines Windschild, manuell verstellbar und zu meiner Überraschung funktioniert der Windschutz bei meiner Körpergröße sehr gut.

Also muss die XR ein Tourenmotorrad sein, mit Übermotorisierung.

Fahrbericht erste Tour

Als Tourenmotorrad muss natürlich eine Tour zur Kalte Kuchl erfolgen. Und weil der Frau fad war, will sie auch mit. Na geh, dachte ich, ich mag eigentlich keinen Sozius mitnehmen. Beim Bremsen muss ich immer das Zusatzgewicht mit abstützen und meist leidet auch die Perfomance des Motorrads unter dem schlecht verteilten Zusatzgewicht. 

Aber bei der M 1000XR war das irgendwie anders. Ich merkte die Frau nur, wenn ich ohne Schaltautomat beim Schalten knapp vorm roten Bereich einen so großen Lastwechsel erzeugte, dass ihr Helm in meinen einschlug. Dann erinnerte ich mich an den Schaltautomat und siehe da, fast kein Lastwechsel. In Anbetracht des mächtigen Schubs der 201PS hatte die Frau auch keine Zeit sich aufgrund meiner Fahrweise zu beschweren, ich glaube die Trägheitskraft (G-Kraft) drückt die Zunge in den Rachenraum und erlaubt kein Sprechen. Alternativ kann auch die schiere Angst aufgrund der wahnsinnigen Beschleunigung das Sprachzentrum kurzfristig auf on hold setzen. Ich weiß es nicht genau, aber das übliche Meckern blieb aus. Mir war es recht.

Angekommen bei der Kalten Kuchl parkte ich die M 1000XR prominent vor den Tischen, um den dortigen Gästen einen guten Blick zu ermöglichen und dachte, sowas haben die meisten noch nicht gesehen. Überraschenderweise dachte sich das ein anderer Motorradfahrer auf seiner M 1000XR ebenfalls, bis er mein Testmotorrad erblickte und der Höhepunkt war, als eine ungarische Gruppe bestehend aus sechs XR am Parkplatz eintraf. Plötzlich waren mehr BMW 1000XR am Parkplatz, als alle anderen Marken/Typen. BMW Wien Heiligenstadt bestätigte mir später die guten Verkaufszahlen der XR.

kk
Kalte Kuchl

Nach dem obligaten Topfenstrudel begann es zu schütten. Als „born ready“, habe ich natürlich die Regenpanier dabei (die Frau nicht). Wir warteten etwas ab, aber als der Sonnenschirm, unter dem wir schützend saßen, langsam unter dem starken Regen aufgab, entschlossen wir uns zu fahren. 

Die M 1000XR hat ja mehrere Fahrmodi, wobei ich normal nur den Modus Dynamik nutze, diesmal jedoch auf Rain wechselte, weil 201PS und Regen bedeutet doch mehr Respekt als üblich. Problemlos erreichten wir Hainfeld, das Gewitter zog rechts daran vorbei und es war wieder alles trocken. Also ging es weiter im Dynamik Modus und Zeit Bremsen und Fahrverhalten genauer zu testen.

Das Fahrverhalten der M 1000XR

Soweit ich das als „Oberstufenherumnudler“ beurteilen kann, konnte ich das Fahrwerk nicht an seine Grenzen bringen. Durch die lange Vordergabel hat man wenig Gefühl für das Vorderrad, man frisst nicht die Kurven wie bei einem Supersportler, und die elektronischen Helferlein (Kurven-ABS, Dynamische Traktionskontrolle der neuesten Generation, Anti-Wheelie) regeln nahezu unbemerkt und retten dem unbedachten Fahrer sicher unbemerkt öfters den A…..

Manchmal entdeckte ich im großen, gut ablesbaren TFT-Display die prozentuellen Eingriffe des DTC, ohne diese jedoch während der Fahrt bemerkt zu haben. Der Schaltautomat funktioniert gut, am besten oberhalb von 4000 U/min und der Reihenvierzylinder mag natürlich Drehzahlen und ist im unteren Drehzahlband unspektakulär. Es gibt sogar eine Launchcontrol und einen Brake Slide Assist in den Race Pro Modi, über den ich mich aber nicht wagte.

Im Gegensatz zu anderen Berichten hat mich aber die Bremse etwas enttäuscht. Mein Resümee nach mehreren Testbremsungen: Am Anfang packt die Bremse richtig stark zu, lässt aber bei weiterer Erhöhung des Bremsdrucks gefühlt etwas nach. Aus meiner Sicht liegt es nicht an den Komponenten, sondern am ABS, denn ich erreichte lt. Displayanzeige „nur“ um die 8m/s Verzögerung. Bei früheren Bremstests, mit Motorrädern ohne ABS und andere Helferlein, erreichte ich immer 10m/s. Vielleicht mache ich auch einen Fehler, da meine privaten Motorräder noch immer kein ABS haben und ich daher vielleicht zu exponentiell bremse.

kk
Mit dem klassischen BMW Farbschema

Wer braucht eine S/M 1000 XR?

Gleich meine Gegenfrage, wer braucht eine GS? Wieviel GS’en haben schon einmal die Wüste, oder leichtes Gelände gesehen. Die Antwort ist einfach: wer ein Tourenmotorrad mit mächtiger Leistung will, einen laufruhigen Vierzylinder dem rauen Boxer vorzieht, jederzeit auf der Geraden fast jeden „Gegner“ vollstrecken will (oder nur das Wissen zu haben, „man könnte“), der nimmt sich eine XR. Aber Achtung: Wer ein Koffer ist und unbedingt Seitenkoffer benötigt, der muss zur 30PS schwächeren S 1000XR greifen, die BMW-Ingenieure haben der M 1000XR ein Kofferverbot auferlegt, und das ist gut so.

Fazit:

  • Leistungsstarker Motor der mit Drehzahl das Feuer entfacht

  • Tourentaugliche Sitzposition, noch nie bin ich nach 300km so entspannt abgestiegen

  • Perfekte Elektronik, die einem das eigene Leben definitiv verlängert

  • Eine neue Funktion, die ich lieben lernte, ist das „Auto Hold“, d.h. man kann an der Ampel, durch nochmaliges Betätigen des Bremshebels, die Bremsen dauerhaft aktivieren, beim Wegfahren löst sich die Bremse automatisch. 

  • Die Optik muss man wollen, durch die ganzen M Winglets vorne und hinten wirkt die XR sehr „mächtig“

  • Der Preis beginnt in Österreich ab EUR 30k, es gibt aber von BMW gute Leasingmöglichkeiten, um nicht den Bausparer der Frau und Kinder heimlich opfern zu müssen.

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